"Tarifrevolution" im ÖPNV Deutschlandticket hebt Fahrgastzahlen auf Vor-Corona-Niveau
Seit einem Jahr lässt es sich mit dem Deutschlandticket für 49 Euro pro Monat durch ganz Deutschland touren. Hessen sieht darin einen Fortschritt zur Mobilitätswende, Verkehrsbetreiber berichten von Fahrgastzahlen wie vor Corona. Nur eine langfristige Finanzierung fehlt.
Ein Jahr nach der Einführung des Deutschlandtickets hat das hessische Verkehrsministerium das Angebot als "großen Schritt in Richtung Mobilitätswende" bezeichnet. In Hessen haben aktuell fast 500.000 Menschen ein solches Ticket.
"Das Deutschlandticket ist eine Tarifrevolution, die zeigt, wie erfolgreich einfache ÖPNV-Angebote sein können. Es steht für Einfachheit und ist preislich hoch attraktiv", teilte das Ministerium mit. Für die Zukunft des Angebots sei aber eine langfristige und tragfähige Finanzierung über das Jahr 2025 hinaus erforderlich.
Land will dauerhafte Finanzierung mit Bund
"Das Land Hessen bekennt sich zu einer Weiterführung des Deutschlandtickets in 2026 und darüber hinaus und fordert den Bund deshalb auf, das Deutschlandticket dauerhaft gemeinsam mit den Ländern zu finanzieren", erklärte das Ministerium weiter.
Der Bund müsse den Ländern dauerhaft höhere Mittel zur Verfügung stellen. Dann habe das Deutschlandticket eine Zukunft und der ÖPNV die Chance, seiner Rolle als wichtige öffentliche Dienstleistung gerecht zu werden, erklärte das Ministerium. Am 1. Mai 2023 konnten Fahrgäste erstmals mit dem bundesweiten ÖPNV-Ticket Busse und Bahnen nutzen.
RMV-Fahrgastniveau nach Corona wieder angekurbelt
Allein im Gebiet des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) gibt es laut eigenen Angaben aktuell rund 430.000 aktive Deutschlandticket-Abos. "Das Deutschlandticket hat zweifelsohne erheblich dazu beigetragen, dass aktuell die Fahrgastnachfrage wieder etwa auf Vor-Corona-Niveau ist – trotz beispielsweise verstärktem Homeoffice", teilte ein Sprecher mit.
Besonders groß sei die Nachfrage nach Fahrten am Wochenende für die Freizeit und auf schnellen Linien, die über einzelne Regionen hinausgingen. Wichtig für die Gewinnung weiterer Fahrgäste ist nach Einschätzung des RMV die finanzielle Sicherung des Angebots über mehrere Jahre hinweg, damit sich die Menschen mit ihren Mobilitätsgewohnheiten anpassen und die Nahverkehrsbranche eine einheitliche Vertriebsplattform realisieren kann. Zudem müssten mehr Linien und Fahrten angeboten werden.
Großteil der Abos in Nordhessen sind von Neukunden
Im Gebiet des Nordhessischen Verkehrsverbunds liegt die aktuelle Zahl der Deutschlandticket-Abonnements nach NVV-Angaben bei rund 56.600. "Zwei Drittel der Deutschlandticket-Abonnentinnen und -Abonnenten sind Neukundinnen und -kunden, ein Drittel sind aus anderen Abo-Verträgen zum Deutschlandticket gewechselt", teilte eine Sprecherin mit.
Auch nach der Einführung des Deutschlandtickets nutzten weiterhin viele Fahrgäste das Schüler- oder das Seniorenticket. Diese Angebote seien hessenweit gültig und deutlich günstiger als das Deutschlandticket.
Die Fahrgastzahlen im NVV-Gebiet sind nach Angaben des Verbunds in den vergangenen zwölf Monaten gestiegen und liegen wieder auf dem Vor-Corona-Niveau, teilweise auch deutlich darüber. Allerdings hätten die erhöhten Fahrgastzahlen mitunter auch zu Problemen geführt.
Auf besonders beliebten Strecken sei es vorgekommen, dass wegen überfüllter Regionalzüge Fahrgäste nicht mitgenommen werden konnten oder die Fahrradmitnahme nicht möglich war. "Dies zeigt, dass ein günstiges Ticket-Angebot mit einem weiteren Ausbau des ÖPNV-Angebots einhergehen muss, damit die Nutzung von Bus und Bahn für Fahrgäste weiterhin attraktiv bleibt", sagte die Sprecherin.
Pro Bahn: Auch an Gelegenheitsfahrgäste denken
Nach Ansicht des Fahrgastverbands Pro Bahn Hessen ist das Deutschlandticket ein guter Anreiz zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Es vereinfache das Problem des Tarifdschungels und sei mit einem Preis von 49 Euro deutlich günstiger, als die meisten Monatskarten es vorher waren.
Allerdings sei eine "stabile und zuverlässige Betriebsqualität und Infrastruktur" nötig, damit die Nutzung des Angebots attraktiv sei und die Fahrgastzahlen weiter wachsen könnten. "An der Forderung nach Preisstabilität des Deutschlandtickets sowie vergünstigten Ticketangeboten für Menschen auf dem Bildungsweg und Menschen mit geringeren Einkommen halten wir uneingeschränkt fest", betonte ein Sprecher.
Außerdem gebe es Menschen, die nur sehr selten den ÖPNV nutzten oder generell ein geringes Mobilitätsbedürfnis hätten. Für diese Fahrgäste müsse es ein attraktiveres Angebot an Einzelfahrscheinen und Tageskarten geben.
Unternehmerverband: Besser Streckennetz sanieren
Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) kritisierte, die Subvention des Tickets sei mit drei Milliarden Euro im Jahr viel zu hoch. Das Steuergeld sollte anders eingesetzt werden, forderte der VhU-Verkehrsexperte Christoph Schäfer.
"Der ÖPNV muss größer, besser und zuverlässiger werden, nicht billiger. Das Deutschlandticket subventioniert überwiegend Bahnfahrer aus den Speckgürteln der Ballungsgebiete." Der unterstellte Zuwachs an Nutzern sowie die beabsichtigte CO2-Vermeidung durch Umsteiger blieben weitgehend aus.
"Das vorhandene Steuergeld sollte für die Sanierung des maroden Netzes und für den Ausbau des Angebots ausgegeben werden, also für eine dichtere Zugtaktung und auch nächtliche Fahrten, für mehr Schienenwege, bessere Signaltechnik, attraktivere Bahnhöfe, längere Bahnsteige und moderne Informationssysteme – sowohl in den Städten als auch im ländlichen Raum", forderte Schäfer.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 01.05.2024, 19.30 Uhr
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13 Kommentare
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Ich bin zweigeteilt. Ich habe viele Strecken mit dem Rad zurückgelegt, weil der abgerufene Preis für Einzeltickets oder gar eine Monatskarte einfach frech teuer war und ich eher im Ausnahmefall pünktlich ankam.
Das D-Ticket hat aktuell einen Preis, der zur Qualität passt. Daher stört mich das ewige Zu-Spät-Kommen gar nicht mehr so.
Ich fahre allerdings gerne mit dem Fernverkehr, da hat mich bisher die Anreise per Auto zum Hauptbahnhof gestört, sodass ich meist direkt mit dem Auto gefahren bin. Nun fahre ich mit dem D-Ticket zum Hauptbahnhof mit reichlich Zeitpuffer.
Ich bin gespannt wie sich das weiter entwickelt. Alle wollen mehr von der Dienstleistung, aber keine will es bezahlen. Wobei es teilweise auch daran scheitert, dass keiner Schichtdienst machen will, aber irgendwer soll doch bitte nachts die Züge und Busse ans laufen bringen. -
Eine wunderbare Idee. Nicht nachlassen, Schienennetz erneuern und ausbauen.
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Sehr gut.
Ich fahre mit meiner Familie mehr mit dem öffentlichen Nahverkehr. Auch der Preis stimmt.
Da ich noch nie ein Auto hatte. Alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad mache, bin ich es auch anders
nicht gewohnt.
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