Politk fordert Regress Werksschließung von RHI Magnesita sorgt für Ärger in Staufenberg
Noch in diesem Jahr könnte Schluss sein mit der Produktion von feuerfesten Materialien in Staufenberg. Rund 90 Arbeitsplätze fallen weg. Erst kürzlich wurde noch kräftig investiert in den Standort - auch mit Steuergeldern.
Rund 20 Jahre hätte der neue Ofen eigentlich noch brennen sollen - doch schon bald wird er wohl abgeschaltet. Der österreichische Konzern RHI Magnesita wird sein Produktionswerk für feuerfeste Materialien in Staufenberger Stadtteil Mainzlar (Gießen) noch dieses Jahr schließen.
Wie die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) mitteilt, sei die Belegschaft darüber vergangene Woche bei einem "Townhall-Meeting" informiert worden. Betroffen von der Werksschließung sind rund 90 Arbeitsplätze.
Auf hr-Anfrage bestätigte der Konzern die baldige Schließung und begründete sie mit einer "weltweiten Nachfrageschwäche für Feuerfestprodukte". Die Nachfrage sei zu gering, um die Mengen zu produzieren, die nötig seien, das Werk in Mainzlar auszulasten. Erwartungen aus dem Jahr 2022 hätten sich nicht erfüllt.
"Der Beschluss, das Werk in Mainzlar schließen zu wollen, ist uns sehr schwergefallen", so RHI Magnesita. "Mainzlar ist ein Werk mit einer langen Tradition sowie hervorragenden Mitarbeitenden." Man sei in Gesprächen mit der Arbeitnehmervertretung, um einen Interessensausgleich und Sozialplan zu verhandeln.
Schließung 2022 noch abgewendet
Nachdem eine Schließung bereits 2022 im Raum stand, aber noch mal abgewendet werden konnte, hatte RHI Magnesita in den vergangenen Jahren noch rund 11,2 Millionen Euro in den Standort Mainzlar investiert.
So war etwa ein alter Tunnelofen modernisiert und wieder in Betrieb genommen worden. Dieser hätte eigentlich die kommenden 20 Jahre durchgängig bei 1.660°C laufen sollen, wie es damals hieß. Der Ofen galt als eine große Investition in die lokale Industrie.
1,3 Millionen Euro Steuergelder investiert
Zusätzlich reaktivierte Anfang dieses Jahres die Hessische Landesbahn (HLB) die Bahngleise von Lollar nach Mainzlar für den Gütertransport - finanziert aus Steuergeldern. Knapp 1,3 Millionen Euro kamen aus öffentlicher Hand, das meiste vom Land. Das sorgt jetzt für Ärger.
Staufenbergs Bürgermeister Peter Gefeller CDU) kritisiert den Weltkonzern scharf, weil er aus seiner Sicht vertragliche Zusagen nicht erfüllt. Laut Gefeller hatte die RHI zugesichert, fünf Jahre lang mindestens zehn Schienentransporte pro Monat zu fahren. Gefahren sei - abgesehen von Probefahrten - bisher kein einziger Güterzug.
Auch HLB überrascht
Der Bürgermeister und auch der Gießener SPD-Bundestagsabgeordnete Felix Döring fordern jetzt Regress von dem Unternehmen - für die Investionen, aber auch künftige HLB-Ausfälle.
"So etwas Unseriöses habe ich in den vergangenen Jahren nicht erlebt", so Döring. Er wirft RHI Magnesita schlechte Konzernführung sowie Wortbruch gegenüber der Belegschaft vor.
Die Hessische Landesbahn teilt mit: Auch sie habe die Werksschließung in Mainzlar überrascht. Man habe davon erst Anfang der Woche durch die Medien erfahren. Die HLB wolle nun zunächst Gespräche mit dem Unternehmen führen.
Landrätin will Gespräche führen
Die Gießener Landrätin Anita Schneider (SPD) sagte gegenüber dem hr, sie sei "schockiert" über die Schließung. Dem Kreis sei eine gute Zukunft für das Werk prognostiziert worden, der Standort schien gesichert.
Sie wolle nun gemeinsam mit der Stadt Staufenberg und dem hessischen Wirtschaftsministerium ein Gespräch RHI Magnesita führen, um die Situation zu erörtern und über die vorgesehene Sozialplanung zu sprechen.
Gewerkschaft spricht von "Wortbruch"
Die Gewerkschaft sieht in der Entscheidung einen "Wortbruch". Julian Fluder, Betriebsbetreuer der IGBCE, sagte gegenüber dem hr, man fühle sich vom Management belogen. Noch vor knapp zwei Jahren habe die Konzernspitze erklärt, es gäbe keine RHI Magnesita ohne das Werk Mainzlar.
Die Gewerkschaft verweist zudem darauf, dass RHI Magnesita erst vor Kurzem ein Konkurrenzwerk aufgekauft habe. Dadurch sei "interne Konkurrenz" hergestellt worden.
Der Betriebsratsvorsitzende Michael Schwarz sagte dem hr: Die Belegschaft sei sehr schockiert von der Ankündigung. Der Betriebsrat wolle jetzt dafür kämpfen, eine sehr gute soziale Absicherung zu erreichen, etwa innerhalb einer Transfergesellschaft. "Es ist wichtig, den Leuten Hoffnung zu machen - wenn schon so was direkt vor Weihnachten kommt."
Gewerkschaft: Werksschließung unabwendbar
Dass die Werksschließung erneut abgewendet werden kann, hält Gewerkschaftssprecher Fluder für so gut wie ausgeschlossen. Ein Ofen sei bereits abgeschaltet worden. "Und der wird dann auch nicht mehr so einfach hochgefahren", meint Fluder.
Auch die anderen Öfen sollen laut Fluder noch dieses Jahr abgeschaltet werden. "Und wenn so ein Ofen erst mal kalt ist, müsste der erst wieder aufwendig gewartet werden."
Über hundert Jahre lange Geschichte
Das Werk in Staufenberg-Mainzlar hat eine lange Geschichte, die bis ins Jahr 1907 zurückreicht. Nahe gelegene Quarzitvorkommen in der Region waren damals ideales Ausgangsmaterial für feuerfeste Keramik, die unter anderem im Ofenbau und in der Glasherstellung benötigt wurde.
Der langjährige Standort der Didier-Werke wurde in den 1990er Jahren von der österreichischen RHI AG übernommen. Heute gehört der Standort zu RHI Magnesita, einem weltweit führender Anbieter feuerfester Produkte, die für Hochtemperaturanwendungen in der Industrie benötigt werden.