Offshore-Windenergie Info-Tour wirbt für Stromautobahn Rhein-Main-Link
Der sogenannte Rhein-Main-Link soll einmal Windstrom von der Nordsee per Erdkabel nach Hessen transportieren. Gegen die Pläne gibt es Bedenken. Netzbetreiber Amprion will sie auf einer Info-Tour durch die betroffenen Orte jetzt ausräumen.
Sie ist mehr als 600 Kilometer lang und soll per Erdkabel Energie von den Offshore-Windparks vor den Küsten der Nordsee nach Hessen bringen: die Stromautobahn Rhein-Main-Link. Im Jahr 2033 soll der erste Strom durch die Leitungen fließen.
"Wollen für Transparenz sorgen"
Auch wenn das Projekt noch in einer frühen Phase steckt, der genaue Trassenverlauf noch nicht feststeht, so startet der Dortmunder Übertragungsnetzbetreiber Amprion diese Woche bereits Informationsveranstaltungen in den voraussichtlich betroffenen Kommunen. "Wir wollen für Transparenz sorgen", sagt der für Hessen zuständige Projektsprecher Jonas Knoop.
Er sei sich bewusst, dass so große Vorhaben wie der Rhein-Main-Link nicht nur auf Gegenliebe stoßen, sagt Knoop. So hat der Landkreis Groß-Gerau zum Beispiel in einer Stellungnahme an die zuständige Bundesnetzagentur (BnetzA) den vorgeschlagenen Präferenzraum, einen etwa zehn Kilometer breiten Korridor, innerhalb dessen die Trasse verlaufen muss, kritisiert.
Kreis Groß-Gerau befürchtet erhebliche Eingriffe
"Aufgrund der örtlichen Situation ist es für uns auf Basis der vorgelegten Unterlagen nicht vorstellbar, wie eine derartig große Baumaßnahme wie die Verlegung eines Erdkabels im Kreis Groß-Gerau realisiert werden soll", heißt es in dem Schreiben. Ein durchgängiges Siedlungsband, Straßen, Eisenbahnlinien oder Pipelines stünden dem Vorhaben im Weg.
Es sei von erheblichen Eingriffen in den Lebensraum besonders geschützter Arten auszugehen. Der Boden als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte der Region werde beeinträchtigt. Außerdem würden wertvolle Ackerflächen zerstört. Und schließlich könnten Schadstoffe in das Grundwasser gelangen, so die Befürchtung.
Amprion: "Können nicht jeden überzeugen"
Knoop kennt solche Argumente und kontert. "Wir verbauen die Kabel in Schutzrohren aus Kunststoff", versucht er etwa die Grundwasser-Bedenken zu zerstreuen. Es sei ähnlich wie bei Glasfaserkabeln, die ja auch in der Erde verlegt werden. Und mit dem Boden gehe man so sorgfältig wie möglich um.
"Es ist immer so, dass verschiedene Schutzbelange berührt werden", sagt der Amprion-Sprecher. "Uns ist auch klar, dass wir nicht jeden überzeugen können." Um möglichst viele Menschen möglichst früh zu erreichen, hat das Unternehmen jetzt eine Info-Reihe gestartet. Bereits am Montagabend ging es in Bürstadt (Bergstraße) los.
Knackpunkte herausfinden
Für Dienstag standen Groß-Rohrheim (Bergstraße) sowie Gernsheim und Wolfskehlen (beide Groß-Gerau) auf dem Plan. Am Mittwoch soll in Trebur (Groß-Gerau), Flörsheim und Hofheim (beide Main-Taunus) informiert werden.
"Wir gehen ins Gespräch mit den Bürgern und wollen Vorbehalte auflösen", sagt Knoop. Es gelte, herauszufinden, wo die Knackpunkte sind. Dabei betont er, dass die Veranstaltungen keine Einbahnstraße seien. Man werde Anregungen aus der Bevölkerung mit in die Planung nehmen.
Bundesnetzagentur will 70 Gigawatt aus Offshor
Dass klimafreundlicher Strom dringend benötigt wird, darüber sind sich alle einig. Gemäß dem Klimaschutzgesetz will Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral werden. Der Netzentwicklungsplan der BnetzA sieht vor, dass bis dahin 70 Gigawatt aus Offshore-Windparks kommen.
Amprion zufolge sind die großen Nord-Süd-Verbindungen dazu unerlässlich. Der Rhein-Main-Link soll später einmal acht Gigawatt liefern. Genau genommen sind es vier Leitungen, die in Hofheim, Kriftel (Main-Taunus), Bürstadt und im hessischen Ried enden sollen.
BUND: Umweltschädlich und teuer
Einer, der von solchen Leitungen gar nichts hält, ist Werner Neumann, Energie-Experte und Landesvorstandsmitglied des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hessen. "Wir haben etwa im Taunus große Eingriffe in den Waldboden", sagt Neumann. Um die Leitungen zu verlegen, würden bis zu 100 Meter breite Schneisen durch Wald und Flur geschlagen.
Neumann befürchtet eine Erwärmung und zusätzliche Austrocknung der Böden. Die Schneisen könnten nicht wieder aufgeforstet werden, weil Wurzeln die Kabel beschädigen könnten. Die langen Leitungen machten außerdem die Energiewende teuer, findet der BUND-Vertreter.
Mehr regionale Stromerzeugung gefordert
"Allein beim Übertragungsnetz reden wir von über 300 Milliarden Euro", sagt Neumann. Dazu kämen die Verteilnetze. Das werde letztlich zu einer Erhöhung der Netzentgelte führen. Sinnvoller sei es, den Strom dort zu erzeugen, wo er verbraucht wird, etwa durch mehr Wind- und Solarparks vor Ort.
Diesem Argument folgt Projektsprecher Knoop nicht. Dezentrale Erzeugung sei für kleinere Verbraucher sinnvoll, sagt er. Industrieparks wie der Chemiepark Höchst oder die großen Rechenzentren in Rhein-Main bräuchten aber eine hohe Energiesicherheit. Und die könne nur der Offshore-Strom gewährleisten.
Hofheim will Zusammenlegung mit Ultranet
Hofheims erster Stadtrat Daniel Philipp (Grüne) gibt ihm Recht. Es sei in der Vergangenheit versäumt worden, eine dezentrale Stromversorung aufzubauen, sagt er. Zur Deckung des wachsenden Verbrauchs sei der Offshore-Strom daher notwendig. "Wir stehen zur Energiewende."
Philipp fordert allerdings, den Rhein-Main-Link mit der ebenfalls von Amprion geplanten Überlandleitung Ultranet zusammenlegen, und zwar beides als Erdkabel. "Es kann nicht sein, dass wir oben die Ultranet-Leitungen bekommen und später erneut belastet werden." Die mit der Erdleitung verbunden Eingriffe in die Natur sieht er als Kröte, die man schlucken muss.
Eppstein zieht Klage in Erwägung
Die Stadt Eppstein (Main-Taunus) dagegen sieht nicht nur die Natur, sondern auch ihre bestehende Bauplanung gefährdet. Gegebenenfalls werde man vor Gericht ziehen, kündigte die Stadt laut "Wiesbadener Kurier" an. Auch eventuell klagende Landwirte wolle man "mit allen juristischen Mitteln unterstützen."
Für Amprion ist der Rhein-Main-Link dennoch "eines der zentralen Netzausbauprojekte der Energiewende". Davon will der Netzbetreiber die hessischen Bürgerinnen und Bürger bis zum 22. März auf zunächst 23 Veranstaltungen überzeugen. Projektsprecher Knoop hat sich auf Gegenwind eingestellt, findet das aber normal. "Wir werden keine Leitung bauen können, bei der alle sagen: Das finden wir super."
Sendung: hr4, 12.3.2024, 15.30 Uhr
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