Probleme im Bahnverkehr - das sind die Gründe
Verspätungen, Streckensperrungen, mangelnde Informationen für die Fahrgäste: Im Zugverkehr läuft es viel zu häufig nicht rund. Das hat auch damit zu tun, dass es bald besser werden soll.
Ausgefallene oder verspätete Züge, unbesetzte Stellwerke und Ersatzverkehr mit Bussen scheinen schon fast Alltag im hessischen Zugverkehr. Die Zahl der Beschwerden sei in den vergangenen fünf Jahren deutlich gestiegen, teilt der Landesverband Hessen des Fahrgastverbands Pro Bahn mit. "Dieses Jahr rechnen wir mindestens mit einer Verdopplung", sagt der Landesvorsitzende Thomas Kraft.
Die Deutsche Bahn verweist auf viele Baustellen sowie eine angespannte Personalsituation als Gründe. Zahlreiche Neueinstellungen sollen Abhilfe schaffen. Fragen und Antworten zum Thema.
Wie ist die Situation der Bahn in Hessen?
Pro Bahn listet zahlreiche Probleme auf: nicht funktionierende Fahrpläne mit massiven, baustellenbedingten Verspätungen, nicht besetzte Stellwerke, mangelhafte Fahrgastinformationen, unerreichbare Anschlusszüge.
Allein letztere führten dazu, das man oft länger als 60 Minuten warten müsse, bemängelt Pro Bahn. Hinzu kämen Informationen für die Fahrgäste in Apps und an den Bahnhöfen, die nicht zusammenpassten. Dies liege auch daran, dass die einzelnen Unternehmen nicht gemeinsam informierten.
Die S-Bahnen im Rhein-Main-Gebiet fahren ihrem Pünktlichkeitsziel weiter hinterher. Der Wert verharrt bei rund 88 Prozent (Stand Ende November), wie der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) auf dpa-Anfrage mitteilte. Dies bedeutet, dass im Schnitt von 100 Bahnen zwölf ihr Ziel nicht zur vorgesehenen Zeit erreichten. Als verspätet gelten in der Regel Züge, die mindestens sechs Minuten überfällig sind.
Wo sind die Schwerpunkte der Bahn-Probleme?
Dem Fahrgastverband Pro Bahn zufolge häufen sich die Bahn-Probleme in Mittelhessen mit vielen Ausfällen auch in Stellwerken wegen Personalmangels, im Kreis Groß-Gerau mit Problemen im Bahnhof Mainz-Bischofsheim durch Baustellen, fehlendes Personal und technische Probleme sowie im Main-Kinzig-Kreis wegen eines mehrmaligen Stellwerkausfalls. Die Linie RB46 fahre seit Monaten zwischen Glauburg-Stockheim (Wetterau) und Gelnhausen phasenweise gar nicht.
In Nordhessen gebe es unter anderem Probleme bei der Kurhessenbahn und auf der Strecke zwischen Wabern (Schwalm-Eder) und Bad Wildungen (Waldeck-Frankenberg). Hinzu kämen landesweit Kürzungen im Busverkehr.
Was sind die Ursachen für Ausfälle und Verspätungen im Bahnverkehr?
Pro Bahn nennt neben den jahrelang ausgebliebenen Personaleinstellungen und Investitionen ein Wirrwarr an Zuständigkeiten zwischen verschiedenen politischen Ebenen und der Bahn, mangelnde Absprachen und teilweise fehlende Fachkompetenz.
Die Deutsche Bahn gibt an, die Personalgewinnung sei wie in anderen Branchen schwierig. Regional könne dies zu einer angespannten Personalsituation führen. "Außerdem haben die enormen Bautätigkeiten zur Sanierung der Infrastruktur zur Folge, dass mehr Mitarbeitende eingesetzt werden müssen", teilt eine Sprecherin mit. Wenn Umleitungen nötig seien, müssten mehr Schichten besetzt werden. Hinzu kämen mehr Krankheitsfälle.
Lokführer, Fahrdienstleiter und Instandhalter seien sehr spezialisiert und könnten bei Engpässen nicht ohne Weiteres andernorts eingesetzt werden, führt die DB-Sprecherin weiter aus: "So war es zum Beispiel jüngst in den Stellwerken Frankfurt-West oder Frankfurt-Süd trotz aller Anstrengungen nicht möglich, einzelne Schichten voll zu besetzen." Auch bei der S-Bahn Rhein-Main sei es in den vergangenen Wochen krankheitsbedingt zu einigen Ausfällen gekommen, hieß es von der Bahn.
Was unternehmen die Deutsche Bahn und die Verkehrsverbände?
Derzeit verzögern die vielen Baustellen den Verkehr, doch langfristig sollen sie für mehr Zuverlässigkeit sorgen. 2.200 baubedingte Fahrplanänderungen habe es alleine im laufenden Jahr gegeben, teilt der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) mit. Dies sei ein Rekord, aber "dringend notwendig, um das marode Schienennetz zu erneuern", wie ein RMV-Sprecher sagt.
Um dem Personalmangel zu begegnen, werde die Zahl der Stellen "massiv" aufgebaut, um die Schiene zu stärken und eine bessere Qualität zu bieten, sagt eine Bahnsprecherin. 2023 liege die Zahl der Neueinstellungen und Weiterbildungen im fünfstelligen Bereich, dies sei auch für 2024 geplant. Parallel würden die Standardisierung, Automatisierung und Digitalisierung der Infrastruktur vorangetrieben. Ein Beispiel dafür sei das neue elektronische Stellwerk in Gelnhausen.
Die aktuelle Personalsituation an den Stellwerken nennt Pro Bahn absolut nicht hinnehmbar. "In solch eklatanter Weise hat sich dies in fast 190 Jahren Bahngeschichte, nehmen wir mal die Weltkriege aus, nicht zugetragen", sagt der hessische Landesvorsitzende Thomas Kraft. Der Verband fordert, dass Bahnberufe wie Fahrdienstleiter als systemrelevant eingestuft werden, ähnlich den Gesundheitsberufen. Wenn ein Stellwerk tagelang ausfalle, wie etwa zuletzt im größten hessischen Güterbahnhof Mainz-Bischofsheim, verzögerten sich Lieferketten in ganz Zentraleuropa.