300.000 Unterschriften Protest gegen Konto-Einblick durch Schufa-App
Das Geschäftsmodell der Schufa ist durchaus umstritten. Die Wirtschaftsauskunftei aus Wiesbaden bewertet, wie kreditwürdig Verbraucher sind. Dafür sammelt sie Daten – bald sogar Kontodaten. Kritikern ist das ein Dorn im Auge.
"Finger weg von unseren Konten!" Das ist das Motto der Online-Petition, die die Bürgerbewegungen Finanzwende und Campact vor einigen Monaten ins Leben gerufen haben.
Am Mittwoch haben sie vor dem Schufa-Firmensitz in Wiesbaden demonstriert und den geballten Protest übergeben. Mehr als 300.000 Menschen haben sich an der Petition bereits beteiligt.
Im Mittelpunkt des Protests steht die App Bonify, die die Schufa Ende vergangenen Jahres übernommen hat und über die sie seit Dienstag einen neuen Service anbietet. Seitdem können Verbraucher dort jederzeit kostenlos sehen, wie kreditwürdig sie sind.
Angezeigt wird ihnen das durch den sogenannten Basisscore, einen Wert zwischen 0 und 100 Prozent. Den konnten Verbraucher bisher bei der Schufa nur einmal im Jahr kostenlos abfragen, ansonsten mussten sie dafür zahlen. Den neuen Service sieht die Wirtschaftsauskunftei als Meilenstein für mehr Transparenz.
Schufa umgeht mit Krediten Schufa
Bislang nutzt über eine Million Menschen die App. Für die Nutzung müssen sich Verbraucher registrieren, etwa mit ihrem Personalausweis. Dann bekommen sie Angebote gezeigt, beispielsweise zu kostenpflichtigen Produkten der Schufa, wie der Bonitätsauskunft für Vermieter.
Es gibt Werbung für Kreditkarten und teure Kredite, die man teilweise selbst dann bekommt, wenn es bei der Schufa einen negativen Eintrag gibt. Der negative Eintrag ist ein Hinweis auf einen Zahlungsausfall, bei dem Banken eigentlich kein Geld mehr leihen.
Nicht nur das halten die Schufa-Kritiker für problematisch. Sie stören sich vor allem daran, dass Verbraucher in der App an verschiedenen Stellen aufgefordert werden, ihre Bankkonten hinzuzufügen, beispielsweise um ihre finanzielle Fitness analysieren zu lassen.
Selbst eine Registrierung über das eigene Bankkonto ist möglich. Ab dem nächsten Jahr sollen Verbraucher der Schufa über die App sogar Einblick in ihr Konto gewähren können, um dadurch womöglich ihre Bonität zu verbessern.
Die App als "trojanisches Pferd"
Die App sei ein trojanisches Pferd, heißt es bei der Bürgerbewegung Finanzwende. Deren Gründer Gerhard Schick meint: "Die Schufa versucht, uns mit eventuell sinnvollen Funktionen die App unterzujubeln."
Unter dem Deckmantel vermeintlicher Transparenz wolle die Schufa mächtiger werden und an hochsensible Kontodaten kommen. Doch die gehörten nicht in die Hände eines profitorientierten Konzerns.
"Es braucht eine Einwilligung"
Dabei will die Schufa nach eigenen Aussagen diesen Service vor allem auf Wunsch vieler Verbraucher anbieten. "Die Schufa kennt deren Einkommen bislang nicht und es gibt immer wieder Beschwerden, dass der Score das nicht reflektiert und dass das einen positiven Einfluss haben könnte", erklärt die Schufa-Vorstandsvorsitzende Tanja Birkholz bei einer digitalen Pressekonferenz am Dienstag.
Je mehr Daten die Schufa nutzen könne, desto trennschärfer und besser falle der Score in der Tat oft aus. Die Kontodaten würden nicht automatisch von der App zur Schufa fließen, betont Birkholz. "Dafür braucht es die Einwilligung des Verbrauchers." Denn die App bleibe unabhängig von der Schufa, Daten seien dort geschützt. Damit ist das Angebot aus Sicht der Wirtschaftsauskunftei freiwillig.
Doch daran haben Campact und die Bürgerbewegung Finanzwende wegen der Marktmacht der Schufa Zweifel. Sie ist mit Abstand die größte Wirtschafsauskunftei in Deutschland und besitzt Informationen über rund 68 Millionen Menschen.
Mancher Verbraucher unter großem Druck
Deshalb sei es mit der Freiwilligkeit so eine Sache, meint Gerhard Schick von Finanzwende. Denn dieses Angebot ziele auf Menschen ab, die ansonsten nicht so leicht an Kredite kämen. "Die haben Probleme mit ihrem Schufa-Score, sind wahrscheinlich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und stehen unter großem Druck, ihre Kontodaten preiszugeben", warnt Schick. Letztlich würde die Schufa die finanzielle Not dieser Menschen ausnutzen.
Der ehemalige Grünenpolitiker fordert von der Wirtschaftsauskunftei echte Transparenz. Auch ohne App könne sie jederzeit kostenlos Auskunft geben über die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern, zum Beispiel auf der firmeneigenen Internetseite.
Kritiker fordern Transparenz bei "Blackbox Schufa"
Noch wichtiger findet Schick, dass die Schufa die Berechnung ihres Scores offenlegt. "Denn nur so kann man sehen, wo er diskriminierende Wirkung hat", meint der Kopf der Bürgerbewegung Finanzwende. Da sei die Schufa bislang eine Blackbox.
Ab dem nächsten Jahr will die Schufa über die App Verbrauchern immerhin Einblick in alle bonitätsrelevanten Daten geben, die sie über sie gespeichert hat. Mit einer Art virtuellem Simulator können die Nutzer dann auch testen, welchen Einfluss etwa ein Ratenkredit auf ihre Kreditwürdigkeit hätte. Außerdem sollen sie informiert werden, wenn es bei der Schufa einen Negativeintrag gibt.
Sendung: hr-iNFO, 18.07.2023, 16.20 Uhr
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