Eine Menschenmenge hält ein blaues Banner auf welchem in weißer Schrift "NEIN! zur Rheinheimer Werksschließung" steht

Gegen den geplanten Wegzug des Pharmaunternehmens Merz aus Reinheim hat die Belegschaft protestiert. In schwarzer Kleidung machte sie sich für den Erhalt ihrer Jobs stark. Auch der Bürgermeister protestierte mit.

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Merz-Beschäftigte wehren sich gegen Schließung

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"Nein zur Reinheimer Werkschließung", "R.I.P. 300 Jobs", "Wir wollen Merzianer bleiben" – auf Transparenten und Plakaten machen am Donnerstag in Reinheim (Darmstadt-Dieburg) rund 250 Mitarbeitende des Pharmaunternehmens Merz klar, was sie von den Plänen des Unternehmens halten, den Standort zu schließen. Fast alle tragen schwarze Oberteile.

Schwarze Kleidung als Symbol für die Gemütslage

Der Dresscode symbolisiert die Stimmung, die unter den insgesamt rund 340 Beschäftigten inklusive Leiharbeitern herrscht. Bis Ende 2027 will Merz der südhessischen Kleinstadt nach mehr als 80 Jahren den Rücken kehren und nach Dessau in Sachsen-Anhalt umziehen, das wurde der Belegschaft im Mai mitgeteilt.

Die meisten Mitarbeiter wissen nicht, wie es mit ihnen weitergehen soll. Bruno Sousa etwa hat zehn Jahre bei Merz gearbeitet und dort seine Ausbildung gemacht. Die Nachricht von der geplanten Schließung hat den 32-Jährigen getroffen. "Ich habe mir doch mein Leben hier rund um Merz aufgebaut."

Standortaufgabe statt Millionen-Neubau

Betriebsratschef Andreas Dörr weiß von vielen ähnlichen Schicksalen zu berichten. Unter der Belegschaft gebe es Ehepaare, die nun doppelt betroffen seien. "Manche haben sich hier ein Haus gekauft, weil sie sich auf den zugesagten Neubau verlassen haben."

Denn noch bis vor kurzem wollte Merz am südlichen Stadtrand einen 120 Millionen Euro teuren nachhaltigen Neubau – eine Green Factory – errichten. Laut Bürgermeister Manuel Feick (SPD) wurde bis vor wenigen Wochen mit Merz über den Straßenbau für das neue Werk gesprochen. Die Nachricht vom geplanten Wegzug sei für ihn ein Schock gewesen.

Bürgermeister Feick unter den Protestierenden

Auch Feick hat sich ein schwarzes Shirt übergestreift, mischt sich unter die Demonstrierenden und solidarisiert sich mit der Belegschaft. Man habe Merz einen mit Diamanten verzierten roten Teppich ausgelegt, erklärt er. Umso unverständlicher sei für ihn daher, dass Merz nicht nur auf den Neubau verzichten, sondern Reinheim ganz verlassen will.

"Der Neubau wäre für uns eine Herausforderung", sagt Feick. "Aber das ist es uns wert." Für den Bürgermeister sind die Stadt und Merz untrennbar miteinander verbunden. Es gebe eine sehr hohe Identifikation der rund 17.000 Reinheimer mit dem Unternehmen, die seit Jahrzehnten besteht.

Merz: Einfachere Logistik, mehr Flexibilität

Die Bündelung in Dessau, wo das Unternehmen mit Sitz in Frankfurt seit mehr als 20 Jahren einen Produktionsstandort betreibt, vereinfache die Logistikkette, hatte das Unternehmen kürzlich seine Entscheidung begründet. Dies ermögliche eine "hohe Flexibilität, um besser auf das sich ständig ändernde Marktumfeld reagieren zu können".

Damit will sich der Bürgermeister nicht abfinden. Man habe Merz noch einmal weitere Expansionsflächen und Steuervorteile in Aussicht gestellt. "Ich werde erst aufhören zu kämpfen, wenn da hinten die Tür zugeschlossen wird und keinen Tag vorher", sagt Feick unter dem Beifall der Belegschaft.

"Uns hat es den Boden unter den Füßen weggezogen"

Auch Betriebsratschef Dörr war von der Ankündigung völlig überrascht. "Uns hat es den Boden unter den Füßen weggezogen." Mit der Geschäftsleitung sei man gerade in der "Informationsphase". Details zu den Inhalten der Gespräche will er deshalb nicht nennen.

Man werde Merz aber die eigenen Argumente darlegen. Der Betriebrsat hält den Wegzug auch unternehmerisch nicht für sinnvoll, spricht von einer Risiko-Entscheidung. "Was wir hier machen, ist einmalig", sagt er. Es sei nicht klar, wie das anderswo funktionieren könne.

Der Wirtschaftsminister soll es richten

Hoffnung setzen die Merzianer auch in Wirtschaftsminister Kaweeh Mansoori (SPD). Mit ihm sei man in Kontakt, berichten sowohl Feick als auch Dörr. Beide sind überzeugt, dass das letzte Wort in der Angelegenheit noch nicht gesprochen ist.

"Wir werden den Standort nicht aufgeben", gibt sich Dörr kämpferisch. "Das sind wir den Leuten, der Stadt und der Region schuldig."

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