Pionier aus Rüsselsheim Rennwagen unter Strom: Als Opel dem E-Auto das Rasen beibrachte
Elektrisch fahren wird immer beliebter. Die Marke Opel setzt künftig ganz auf E-Mobilität. Schon vor mehr als 50 Jahren wollte ein Opel-Pionier ein Auto mit Stromantrieb groß herausbringen.
Es sind bewegte Zeiten: Teure Energie sorgt für Stirnfalten in der Wirtschaft, elektrisch Auto zu fahren erscheint erstrebenswert, und Apollo 14 landet auf dem Mond. Moment. Was?
Das Szenario klingt nur fast nach dem Hier und Jetzt. In Wirklichkeit zeigt es den Stand der Dinge 1971: Dem Jahr, in dem Georg von Opel, Enkel des Opel-Gründers Adam, der Welt beweisen wollte, dass ein E-Auto Verbrennern Paroli bieten kann.
Während die Ölkrise damals ihre Schatten vorauswarf, rollte bei Opel das Modell GT vom Band, ein beliebter Sportwagen mit Verbrennungsmotor. Mit Blick auf die steigenden Ölpreise baute Georg von Opel das GT-Modell um: Verbrennungsmotor raus, zwei trommelförmige Gleichstrommotoren rein. "Er wollte beweisen, dass man mit Elektrokraft auch richtig schnell unterwegs sein konnte", sagt Leif Rohwedder, Manager bei Opel Classic.
Sportlicher Großvater moderner E-Autos
An einem Wochenende im Mai 1971 mietete von Opel die Rennstrecke am Hockenheimring (Baden-Württemberg). "Dann hat man diesen Elektro-GT auf die Rennstrecke losgelassen", sagt Rohwedder, "und man ist damit Weltrekorde gefahren."
Insgesamt sechs Geschwindigkeitsrekorde auf verschiedenen Streckenlängen überbot der Elektro-GT bei den Testfahrten. In der Spitze wurde er fast 190 km/h schnell. Mit seiner Leistung von 160 PS war der Wagen ein sportlicher Großvater moderner E-Autos. Und dennoch brachte er Opel nicht den Durchbruch in Sachen E-Mobilität.
Trotz aller Rekorde: Georg von Opels E-Rennwagen ging nicht in Serie. Dafür waren seine 44 Kilometer Reichweite zu kurz, die Produktion zu teuer. "Das war ein Rennauto und auf diesen Zweck zugeschnitten", sagt Leif Rohwedder. "Auch die Ölkrise hat sich irgendwann gelegt." Die 500 Kilo schweren Nickel-Cadmium-Batterien waren ebenfalls ein teurer Ballast.
Krisenjahre als Innovationsbremse
So kam es, dass Jahrzehnte später als Pionier elektrischen Fahrens nicht Opel, sondern der amerikanische Autohersteller Tesla gefeiert wurde. Während beim Rüsselsheimer Autobauer auch nach dem Elektro-GT die Verbrenner lange das Maß der Dinge blieben.
Immer wieder wurde der Konzern von Krisen geschüttelt. Sparprogramme mit vielen schnellen Management-Wechseln in den 1990er Jahren hätten zum Beispiel Spuren hinterlassen, erklärt der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer: "Investitionen in neue Modelle zahlen sich immer erst nach fünf bis sieben Jahren aus", sagt der Wirtschaftswissenschaftler. "Da saß der Manager schon auf dem nächsten Stuhl: Er hatte also wenig Anreiz, langfristig zu investieren."
Die schweren Zeiten wirkten sich auf die Innovationskraft aus. "Opel hatte eine Führungsposition, die verspielt worden ist", meint Dudenhöffer, Gründer des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen.
Alle Modelle ab 2024 auch elektrisch
Das elektrische Fahren trieb Opel erst 40 Jahre nach seinem Rekord-Rennwagen wieder voran: Mit dem Modell Ampera brachte das Unternehmen 2011 sein erstes E-Auto auf den Markt. Heute soll E-Mobilität Priorität haben, so lautet das selbst gesteckte Ziel.
"Opel hat die Elektromobilität tief in seiner Historie", sagt CEO Florian Huettl. "Durch den Elektro-GT und durch den Ampera, den wir eingeführt haben, als die Elektromobilität noch in den Kinderschuhen steckte."
Über 50 Jahre nach Georg von Opels Ausflug zum Hockenheimring ist der strombetriebene GT jetzt - modernisiert - ein regulärer Teil der Modellpalette. Und nicht nur er: Seit 2024 können Kunden alle Opel-Modelle als Verbrenner oder als E-Auto kaufen.
Der Markt dafür ist da - deutschlandweit und in Hessen: Hier wurden 2023 gemessen an der Bevölkerung die meisten E-Autos neu zugelassen: 8,6 neue E-Autos je 1.000 Hessinnen und Hessen. Auch die Ladeinfrastruktur im Bundesland wächst.
CO2-Neutralität als Zukunftsvision
Matthias Alt hat jahrelang Verbrennungsmotoren entwickelt. Heute steht Opels Chefingenieur in Rüsselsheim am Batterieprüfstand, wo die Leistungen von Batterien für Elektroautos getestet werden. "Ich hätte mir vor fünf Jahren noch nicht vorstellen können, dass sich das so schnell entwickelt", sagt er.
Neue Verbrennungsmotoren werden bei Opel nach eigener Aussage nicht mehr entwickelt. Stattdessen soll die Marke nach und nach komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden.
Bis 2038 will man nach eigenen Angaben CO2-neutral sein. "Das heißt nicht nur emissionsfrei Auto fahren, sondern auch die Autos ohne CO2-Emissionen herstellen", sagt Alt.
Lieferanten sollen demnach nachweisen, dass sie ihre Produkte mit grünem Strom hergestellt haben, defekte Batterien repariert statt verschrottet, die wertvollen Rohstoffe erhalten werden. "Wenn die Batterie nach 20 Jahren wirklich nicht mehr nutzbar ist, werden wir sie zu 95 Prozent recyceln", sagt Alt.
Allerdings gilt genau dieses Recycling nach wie vor als schwierig und noch kann Matthias Alt nicht aus Erfahrung sprechen: "Wir haben natürlich noch nicht viele Batterien, die recycelt werden müssen", gibt er zu. "Das kommt erst noch."
Wasserstoff soll Lieferwagen grüner machen
Während Pkw künftig E-Autos sein sollen, gilt für Nutzfahrzeuge eine andere Strategie: Wasserstoff soll hier die Antriebsform der Zukunft sein, erklärt Opels Wasserstoff-Chefentwickler Lars Peter Thiesen: "Wasserstoff kombiniert drei Vorteile: null Emissionen, hohe Reichweite und das schnelle Betanken in drei Minuten." Das sei vor allem für Firmenkunden wichtig, die mit großen, schweren Fahrzeugen lange Strecken zurücklegen.
Seinen Transporter Vivaro bietet Opel schon als Brennstoffzellenfahrzeug an. Weitere Lieferwagen-Modelle sollen folgen: "Wir werden sehen, wie sich der Markt und das Tankstellennetz entwickeln, und dann schauen wir, ob wir auf weitere Fahrzeuge übergehen", sagt Thiesen.
Wasserstoff- und E-Autos soll bei Opel die Zukunft gehören. Ob die Marke am Automarkt bestehen kann, hängt aber noch von anderen Faktoren ab, glaubt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer.
Als Teil von Stellantis stehe Opel immer in Konkurrenz zu anderen Marken des Konzerns wie Peugeot, Citroen oder Fiat. "Es geht jetzt um Marketing und nicht mehr um Entwicklung", sagt Dudenhöffer. "Dort, wo die besten Ideen sind, wo die besten Marketingmanager sind - diese Marken wird man in der Zukunft sehen."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 21.01.2024, 19.30 Uhr
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