100-Tage-Bilanz der Bahn Pünktlichere Züge dank Riedbahn-Sanierung - Kritik an Konzept
Aus Sicht der Deutschen Bahn zahlt sich die 1,5 Milliarden Euro teure Generalsanierung der Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim bereits aus. Der Konzern will aber auch Lehren für die weiteren derartigen Mammutprojekte ziehen. Experten mahnen angesichts der Kosten zur kritischen Auseinandersetzung.
Seit rund 100 Tagen fahren sie wieder, die Züge auf der frisch sanierten Riedbahn-Strecke zwischen Mannheim und Frankfurt. Fünf Monate lang hatten hier Hunderte von Arbeitern rund um die Uhr alles erneuert, Schienen, Weichen, Oberleitungen, Signaltechnik.
Die Riedbahn-Sanierung sollte zum Auftakt des größten Infrastrukturprojekts der Deutschen Bahn seit Jahrzehnten werden: Insgesamt 40 Zugstrecken sollen in den nächsten Jahren nach ihrem Vorbild generalsaniert werden. Ob es tatsächlich so kommt?
Bahn spricht von "Kinderkrankheiten"
Zwar läuft längst nicht alles rund auf der meistbefahrenen Zugstrecke Deutschlands zwischen Frankfurt und Mannheim. Dennoch gingen nach Bahnangaben die infrastrukturbedingten Störungen, zum Beispiel durch eine Weichenstörung, im Februar um 27 Prozent zurück, verglichen mit dem Februar vor der Generalsanierung.
Das werde sich noch deutlich verbessern, ist sich Philipp Nagl, Vorstandsvorsitzender der Bahn-Infrastrukturtochter DB Infrago, sicher: "Wir haben gerade noch zu tun mit technischen, montagebedingten Kinderkrankheiten." Er nennt Verbesserungsbedarf in der IT und in der Leittechnik. Es sei nach der Wiedereröffnung der Strecke vorgekommen, "dass Signale nicht optimal schalten und die Triebfahrzeugführer die Geschwindigkeit deshalb reduzieren müssen". Das sei inzwischen behoben.
Noch schneller unterwegs sein können sollen die Fernverkehrszüge ab Juni, wenn das Kontrollsystem ETCS auch im nördlichen Abschnitt der Riedbahn zur Verfügung steht. Das System sollte ursprünglich mit dem Ende der Generalsanierung fertig sein.
Riedbahn bleibt überlastet - Pendler genervt
Besonders deutlich mache sich der sanierungsbedingte Fortschritt im Regionalverkehr zwischen Frankfurt und Mannheim bemerkbar, sagt Philipp Nagl: "Da sehen wir extrem, wie sich die Pünktlichkeit der Riedbahn verbessert hat."
Vom hr befragte Pendlerinnen und Pendler sehen das etwas anders. Am Bahnhof Walldorf erzählt Norika Bach, dass Züge immer noch aufgrund von Weichenstörungen ausfielen: "Es ist wirklich wie vorher." Dem stimmt Tim Lohwasser zu, der neben ihr am Gleis steht: "Die hat schon immer krasse Verspätungen."
Mit Blick in die Statistiken der vergangenen Wochen räumt DB-Infrago-Chef Nagl ein, dass es weiter die Zugausfälle und Verspätungen gibt, die nichts mit der Infrastruktur zu tun hätten und gegen die auch keine Riedbahn-Sanierung helfe. Sprich: Personalausfälle zum Beispiel im Stellwerk in Walldorf oder Schäden an Triebfahrzeugen.
Zudem macht der Manager deutlich: "Die Riedbahn hat ganz klar ein Kapazitätsproblem. Die langfristige Lösung, um von diesem Problem wegzukommen, ist die geplante Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim."
Warten auf die Neubaustrecke
Die Inbetriebnahme der weiter östlich geplanten Strecke ist für Mitte der 2030er Jahre geplant. Auf der Neubaustrecke soll dann der Fernverkehr rollen, der bislang auf der Riedbahn unterwegs ist. Nachts sollen Güterzüge dort unterwegs sein. Bis dahin bleibe die Taktung der Züge auf der Riedbahn so eng, dass sich die Verspätung schon eines Zuges schnell auf andere auswirken kann, so Philipp Nagl.
Der Erfolg der Riedbahn-Sanierung lasse sich aus diesem Grund nur schwer an der Pünktlichkeit der Züge ablesen, sagt Detlef Neuß, der Vorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn: "Wenn es jetzt immer noch zu Störungen kommt, liegt das einfach daran, dass rundherum alles sanierungsbedürftig ist."
Die Riedbahn allein könne da nur wenig ausrichten, sagt Neuß auch mit Blick auf die bevorstehenden Generalsanierungen der Deutschen Bahn. In diesem Jahr beginnen soll die Sanierung der 278 Kilometer langen Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Die Sanierung der Strecke von Emmerich nach Oberhausen, die als bedeutendes Teilstück im europäischen Güterverkehr gilt, läuft bereits.
Debatte um Konzept der Generalsanierung
Neuß sieht die Strategie der Generalsanierung, also die Erneuerung unter Vollsperrung der jeweiligen Strecke, als den einzig gangbaren Weg. "Wir haben vieles versäumt. Wir haben jetzt einfach nicht mehr die Zeit, nur am Wochenende oder nachts zu arbeiten", mahnt der Fahrgastverbandschef.
Der Bahnexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin dagegen warnt nach der Riedbahn-Sanierung davor, eine kritische Diskussion über das Konzept der Generalsanierung zu versäumen. Die Riedbahn-Sanierung wurde 1,5 Milliarden Euro teuer und lag damit etwa 15 Prozent über der letzten Kalkulation.
Gleichzeitig sei nicht alles, was ursprünglich geplant war, auf der Strecke gemacht worden, sagt Böttger. Manches wie eben das Kontrollsystem ETCS sei nicht fertig geworden. "Eine Neubewertung, ob wir tatsächlich angesichts der hohen Kosten einen entsprechenden Nutzen haben, steht dringend an", findet der Bahnexperte.
Bahn kündigt Nachbesserungen an
Philipp Nagl von DB Infrago hält die Kostenabweichung von rund 200 Millionen Euro zur ursprünglich einkalkulierten Summe für "noch in einem vernünftigen Rahmen". Dennoch solle bei den kommenden Generalsanierungen noch mal auf die Kosten geschaut werden.
Die Bahn erhofft sich günstigere Konditionen, indem in Zukunft mehr Firmen bei den Ausschreibungen für die Bauarbeiten berücksichtigt werden sollen. Zudem habe sich gezeigt, dass bei der Leit- und Sicherungstechnik nachgebessert werden müsse. Nagl hofft, dass die Bahn in diesem Bereich zusätzliches Personal gewinnen kann.
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17 Kommentare
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Es ist aufjeden Fall besser als nichts zu tun. Und erst wenn jemand eine bessre Idee hat sollte man das Konzept ändern.
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Im Norden Frankfurts sah es 10 Jahre nicht besser aus wegen dem Ausbau s 6 zwischen ffm. Und friedberg bzw. Bad vilbel. Leider sind immer die pendler die dummen. Wochenlang während den Sommerferien Busse gefahren die entweder gar nicht fuhren oder von halte stellen die man nicht gefunden hat.....ich war eine von den pendlern. Aber leider waren auch die Alternativ Strecken z.b. über hanau oder Bad homburg keinen deut besser.
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Ich finde es immer etwas erschreckend, dass in unserer Gesellschaft immer mehr Laien und Theoretiker technische Dinge bewerten, ohne dabei Ahnung vom System zu haben. Ob ein System eine Verbesserung zeigt oder nicht - unabhängig von den Randbedingungen, ist betriebsfremden Personen oft nicht möglich, zu bewerten. Wenn die in den Betrieb eingebunden Techniker und Betreiber eine Verbesserung nach der Riedbahnsanierung erkennen, sollte man das auch einfach einmal so stehen lassen. Das wird ein Fahrgast erst bemerken,wenn ringsherum alles in Ordnung ist. Deshalb sollte so etwas immer in eine vernünftige Relation gesetzt werden und nicht 1:1 nebeneinander stehen bleiben.
Auch ich komme aus einem technischen Bereich und kenne das,was hier als "Kinderkrankheiten" bezeichnet wird. Es gibt kein System,das sofort 100% funktioniert. Jedes System muss sich am Anfang einschwingen, um dann lange Zeit optimal zu arbeiten. Das ist ein ganz normales Verhalten.
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