Risse in der Wand Haus an Riedbahnstrecke durch Bahnarbeiten beschädigt?

Die Bahn erneuert derzeit die gesamte Strecke zwischen Mannheim und Frankfurt. Nun kam es nahe der Baustelle zu schweren Schäden an einem angrenzenden Haus – akute Einsturzgefahr drohte. Sind die Bauarbeiten der Auslöser? Die betroffenen Anwohner sind fest davon überzeugt.

Treppenförmiger Riss in Hauswand
Deutlich zu sehen ist der Riss in der Hauswand. Bild © hr
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"Hier hat die Gartenmauer meines Nachbarn gestanden", sagt Markus Bodensohn aus Biblis und zeigt auf einen provisorischen Kunststoffzaun, der das Grundstück von einer Riedbahn-Baustelle abgrenzt. "Die Mauer war dann einfach irgendwann weg."

Mauer kippt und zeigt Risse

Was dem 36-Jährigen aber wirklich Sorgen macht, ist ein Schaden am Haus seiner Eltern, gleich nebenan. In der Mauer des Hauses zeigt sich ein langer Riss, zudem neigt sich das Mauerwerk zu den Gleisen hin. Der Nachbar hatte ihn zuerst darauf aufmerksam gemacht.

Videobeitrag

Risse in Hauswänden in Biblis – Folge der Riedbahn-Sanierung?

HS 23:09:2024
Bild © hessenschau.de
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Bodensohn ist überzeugt, dass dieser plötzlich aufgetretene Mangel in Zusammenhang mit den Arbeiten für die Riedbahnsanierung steht. In anderthalb Metern Entfernung zum Haus hatten Bahnarbeiter Halterungen für eine Schallschutzwand mittels Vibrationen rund vier Meter tief in den Boden getrieben.

"Sachlage wird nicht ganz ernst genommen"

"Ich habe versucht, eine zuständige Person bei der Bahn zu finden, habe Telefonnummern aus dem Internet rausgesucht, aber ich habe niemanden erreicht", berichtet der 36-Jährige. Das war vor rund zwei Monaten.

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Riedbahnsanierung

Seit Mitte Juli wird die rund 70 Kilometer lange Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim, die sogenannte Riedbahn, generalsaniert und modernisiert. So soll die Strecke neue Gleise, Weichen und Signaltechnik erhalten mit dem Ziel, Betriebsstörungen zu reduzieren und die Zugverbindungen zu verbessern. Die Kosten werden auf 1,3 Milliarden Euro veranschlagt. Bis Mitte Dezember sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

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Auch an die Bauaufsicht in Heppenheim habe er sich gewendet. Die habe auch bald jemanden geschickt, der sich den Schaden angeschaut und fotografiert habe. Aber mehr als eine Meldung an die Bahn sei dabei nicht herausgekommen. "Ich hatte das Gefühl, die Sachlage wird nicht ganz ernst genommen."

Gutachter sieht akute Einsturzgefahr

Mehrere Wochen passierte nichts. Schließlich schaltete Bodensohn einen Anwalt ein, der wiederum einen Gutachter beauftragte, sich die Sache anzusehen. Der Sachverständige kam zu dem Urteil: Das Haus ist einsturzgefährdet.

Zollstock zeigt Spalte in Hauswand von sieben Zentimetern.
Innen wird deutlich: Um mehrere Zentimeter hat sich die Hausmauer geneigt. Bild © Carsten Toppel

Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) wurden herangezogen und sahen ebenfalls die Gefahr eines Einsturzes. "Ich hatte da eine ähnliche Einschätzung", sagt Carsten Toppel, Baufachberater des THW.

Gerüst soll Hausmauer stützen

Für Bodensohns betagte Eltern bedeutete dies, dass sie ihr Haus verlassen mussten. Kein leichter Schritt nach 35 Jahren. Sie kamen vorerst bei Bekannten unter.

Unterdessen begannen Feuerwehr und THW damit, das Haus abzustützen. An den Problemstellen sei ein Gerüstsystem installiert worden, berichtet Toppel. Bis in die Nacht dauerten die Arbeiten. "Unsere Teams waren um 2 Uhr wieder zurück vom Einsatz." Auch die Bahn habe bei den Arbeiten geholfen.

Ingenieur: "Vieles spricht für Bahnarbeiten als Ursache"

Der Bauingenieur kann sich durchaus vorstellen, dass sich die Rammarbeiten für die Schallschutzwand negativ auf das Mauerwerk des Hauses ausgewirkt haben. "Es spricht vieles dafür, dass das zu dem Schaden beigetragen hat. Ob es das alleine war, weiß man nicht."

Das Gebäude stammt aus den 1940er-Jahren. Es sei wohl immer wieder etwas daran verändert worden, möglicherweise habe sich auch im Boden etwas getan, meint Toppel. Ungewöhnlich ist auch, dass das Haus so nah am Bahngrundstück steht. Bei den Nachbargrundstücken sind die Häuser zur Straße hin gebaut.

Bahn schließt Arbeiten als Ursache nicht aus

Bodensohn hat dagegen keine Zweifel, dass die Bahnarbeiten die Risse verursacht haben. "Das Haus steht seit 70 Jahren", sagt er. Da könne das Fundament so schlecht nicht sein. "Dann kommt die Bahn, macht Rammarbeiten, und plötzlich kippt die Mauer."

Die Bahn will das zumindest nicht ausschließen und teilt auf Anfrage mit: "Noch immer ist nicht abschließend ermittelt, ob es bei den Wandrissen in der Bibliser Sebastianusstraße einen Zusammenhang mit Rammarbeiten für die Lärmschutzwände entlang der Bahnstrecke gibt."

Wer übernimmt die Kosten?

Von der festgestellten Ursache wird aber letztlich auch abhängen, wer die Kosten für die Reparatur des Hauses übernimmt. Über die mögliche Höhe wollen weder Bodensohn noch Bauingenieur Toppel eine Schätzung abgeben.

Theoretisch wäre das Haus jetzt schon wieder bewohnbar. Ein von der Bahn beauftragter Statiker hat es nach der Abstützung der Mauer wieder freigegeben. Akut besteht also keine Einsturzgefahr. Doch für die Instandsetzung müsste die Mauer nach Einschätzung Toppels abgerissen und neu errichtet werden.

"Einen alten Baum verpflanzt man nicht"

So lange wäre es wiederum nicht bewohnbar. Für die Bodensohns hieße das nach ihrem plötzlichen Auszug, dass sie vorläufig einziehen und später wieder ausziehen müssten, nur um nach der Reparatur erneut einzuziehen.

Und das möchten sie sich nicht zumuten. "Wie sagt man so schön? Einen alten Baum verpflanzt man nicht", sagt Markus Bodensohn.

Redaktion: Uwe Gerritz, mit Informationen von Zoe Bünning und Anna Vogel

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de