Rotorblätter aus Holz als Weltneuheit Wie ein Startup aus Nordhessen die Windenergie revolutionieren will
Rotorblätter aus Holz sind zu 100 Prozent recyclebar und könnten die Windenergie-Erzeugung deutlich nachhaltiger machen. Ein nordhessisches Startup hat die Rotorblätter jetzt erstmals an einer Windkraftanlage in Breuna montiert. Kann Holz dieser Belastung standhalten?
Tom Siekmann steht im Windpark in Breuna (Kassel), er schaut nach oben und zeigt auf die Rotorblätter: Es sind weltweit die ersten Rotorblätter aus Holz, die Siekmann mit seiner Firma Voodin Blade aus Lichtenfels-Dalwigksthal (Waldeck-Frankenberg) an der 27 Jahre alten Windkraftanlage montiert hat.
"Unsere Rotorblätter hier in real life zu sehen, ist etwas ganz Besonderes", sagt der 26-Jährige voller Stolz. Alles sei wie geplant gelaufen - trotz der ein oder anderen Herausforderung bei der Installation, berichtet Siekmann. Die erste Prüfung haben die Blätter auch schon hinter sich: alles in Ordnung.
Herkömmliche Rotorblätter: Miese Umweltbilanz, weil schlecht recyclebar
Seit knapp drei Monaten werden die hölzernen Rotorblätter hier unter realen Bedingungen getestet. Sie haben einen großen Vorteil gegenüber herkömmlichen Blättern: sie sind zu 99 Prozent recyclebar.
Bisher bestehen die großen Teile für Windkraftanlagen in der Regel aus Glas- und Kohlefasern, dazu sind mit Epoxidharz verklebt. Für ausgemusterte Teile gibt es bisher kaum Recyclingmöglichkeiten, sie werden nach ihrer Demontage verbrannt oder im Ausland deponiert.
In der Branche ist das Problem bekannt. Siekmann und sein Team wollten eine Lösung finden und haben experimentiert. Der Werkstoff Holz sei naheliegend, so Siekmann, vor allem wegen der Nachhaltigkeit.
Die Blätter werden in Kiel gefräst. Ihre Herstellung aus laminiertem Fichten-Furnierschichtholz soll 87 Prozent weniger CO2-Emissionen verursachen. Es scheint, als hätte Siekmann die perfekte Rotorblätter-Zukunft erfunden.
Auch Holz hat Schwachstellen
Aber kann Holz überhaupt dauerhaft standhalten, wenn es jahrelang der Witterung ausgesetzt ist? Werner Seim kennt die Stärken und Schwächen von Holz, er leitet an der Universität Kassel das Fachgebiet Bauwerkserhaltung und Holzbau.
Holz habe eine unregelmäßige Faserstruktur, erklärt er. Dazu "Fehlstellen durch Äste, die durch den natürlichen Wuchs des Holzes bedingt sind". Als Teil eines biologischen Kreislaufes sei Holz Nahrungsquelle für Pilze und Insekten. Die Herausforderung sei, die Dauerhaftigkeit des Holzes zu erreichen. Das bedeute, "dass wir Pilze und Insekten fernhalten müssen", so Seim.
Schutz vor Witterungseinflüssen
Das Team um Siekmann hat lange herumexperimentiert, um die richtige Beschichtung zu entwickeln. Entschieden hat man sich bei den Probeblättern für ein Rezinöl-basiertes Naturprodukt, es soll das Rotorblatt für seine Aufgaben wappnen.
Es wird dafür in vier Schichten aufgetragen: eine Grundschicht soll die Oberfläche des Blattes so präparieren, dass es möglichst viel Wind einsammeln könne, so Siekmann. Zwei weitere Schichten schützen vor Witterungseinflüssen, die vierte und letzte Schicht bewahrt das Material vor der UV-Strahlung.
Klarer Vorteil für den Werkstoff Holz
Uni-Professor Seim befürwortet das Projekt, auch weil Holz neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit weitere Vorteile als Grundbaustoff beim Bau von Windkraftanlagen hat. Beim Holz handele sich um einen regional vorhandenen Werkstoff aus deutschen und europäischen Wäldern.
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Im Gegensatz zu Rotorblättern aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen hänge man somit weder vom Welthandel noch von Warenströmen ab.
Rotorblätter aus Holz zum Nachrüsten
Dazu haben die Rotorblätter aus Holz den Pluspunkt, dass sie an bereits bestehenden Windkraftanlage installiert werden können. So wie bei der Anlage in Breuna. Diese gehört zur ersten Generation und wurde jetzt mit den Rotorblättern modernisiert.
Die Rotorblätter aus Holz sollen mindestens 25 Jahre halten und können im Anschluss weiterverwertet werden, zum Beispiel indem man sie schreddert und daraus Pressspanplatten macht.
Auf Siekmann wartet jetzt die nächste Herausforderung: er muss sein Startup wirtschaftlich auf feste Beine stellen. Der Prototyp sei von Mitbegründern finanziert worden, so der Entwickler, das sei "ein Riesen-Privileg". Doch für die Zukunft müssten mehr Investoren ins Boot.
Der nächste Schritt: von 20 auf 80 Meter Länge
Nach den bislang erfolgreichen Tests mit den zwanzig Meter langen Blättern sind Siekmann und sein Team gerade dabei, den nächsten Schritt zu realisieren: sie wollen Rotorblätter mit achtzig Metern Länge produzieren. Herkömmliche Blätter sind zwischen 60 und 100 Meter lang.
Wenn die sich im Test bewähren, soll 2028 die erste voll funktionstüchtige Produktionslinie in Betrieb gehen.
Hinweis: In früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, die ausrangierten Rotorblätter würden auf Deponien gelagert. Korrekt ist, dass sie bisher meist ins Ausland gebracht oder verbrannt werden. Wir haben den entsprechenden Absatz korrigiert.