Schwimmende Solaranlagen Wie auf hessischen Seen Energie gewonnen werden soll

Auf einem Baggersee in Riedstadt wird schon bald eine Solaranlage schwimmen. Bisher waren solche Anlagen nicht rentabel. Gestiegene Energiekosten haben das geändert. Ähnliche Projekte sind in Planung.

Sonnenuntergang am Baggersee in Babenhausen. Auf dem Wasser schwimmen in zwei Reihen einige Solaranlagen-Module.
Die kleine Solaranlage auf dem Baggersee in Babenhausen. Bild © Andreas Bludau
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Schon seit 2011 schwimmen 24 Solarpanels auf einem kleinen Baggersee im südhessischen Babenhausen (Darmstadt-Dieburg). "Wir waren hier pioniermäßig unterwegs", sagt Andreas Bludau, dessen Familienunternehmen jahrelang Kies aus dem Baggersee abgebaut und nach einer sinnvollen Folgenutzung gesucht hatte.

Die kleine Versuchsanlage liefert nach seinen Angaben seit über zehn Jahren Strom für etwa drei Einfamilienhäuser. Ungefähr genauso lange gibt es einen Bebauungsplan für eine mehrere Hektar große schwimmende Photovoltaikanlage auf dem Baggersee. Es sollte die größte dieser Art in Deutschland werden, eine Millioneninvestition.

"Dann gab es Kürzungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz", sagt Bludau. Seitdem sei sein Projekt "Solarsee" nicht mehr wirtschaftlich zu verwirklichen gewesen.

Sonnenuntergang am Baggersee in Babenhausen. Auf dem Wasser schwimmen in zwei Reihen einige Solaranlagen-Module.
Die kleine Solaranlage auf dem Baggersee in Babenhausen. Bild © Andreas Bludau

Kieswerk zahlt Investitionskosten

Nun, über ein Jahrzehnt später, kommt offenbar frischer Wind in die Sache - den gestiegenen Energiekosten sei Dank. So kündigte der Energieversorger Entega in der vergangenen Woche mit seinem Tochterunternehmen Energy Protect Solutions (EPS) an, eine etwa 0,4 Hektar große schwimmende Solaranlage auf dem Baggersee Riedstadt-Crumstadt (Groß-Gerau) aufzubauen.

Noch im August oder September dieses Jahres soll die Anlage mit einer Jahresleistung von rund 950 Megawattstunden Strom ans Netz gehen. Zwar sei eine schwimmende Solaranlage teurer als eine auf Dächern oder Freiflächen. "Die Energiekosten sind aber so hoch, dass es sich auf jeden Fall trotzdem lohnt", sagt EPS-Geschäftsführer Jannes Kreis.

Mit rund 65 Prozent der gewonnenen Energie soll der Strombedarf des gesamten Kieswerks am See gedeckt werden. Der Rest wird in das Stromnetz eingespeist. Die Investitionskosten in Höhe von 1,3 Millionen Euro zahlt das Kieswerk.

Schwimmende Solaranlagen arbeiten effizienter

Auf dem Kiebertsee im benachbarten Trebur (Groß-Gerau) soll künftig sogar eine etwa drei Hektar große Anlage gebaut werden. Im vergangenen Dezember hatte die Gemeinde das Projekt einstimmig beschlossen. Die Anlage soll rund 1.180 Haushalte versorgen. Aktuell stehen nach Angaben aus dem Bau- und Umweltamt der Gemeinde noch notwendige Gutachten aus, um mit dem Bau beginnen zu können. Ab 2024 könnte es dann soweit sein.

Schwimmende Solaranlagen hätten einige Vorteile, sagt der Geschäftsführer der Landes-Energie-Agentur (LEA), Karsten McGovern. Anders als Solarparks an Land müssten sie nicht mit landwirtschaftlicher Nutzung der Flächen konkurrieren.

Zudem könnten schwimmende Solaranlagen effizienter arbeiten als Anlagen an Land. "Das Wasser kühlt das Material", erklärt McGovern. Bei kühleren Temperaturen sei der Wirkungsgrad höher als etwa auf stark erhitzten Dächern im Sommer.

Karsten McGovern
Karsten McGovern ist Geschäftsführer der LandesEnergieAgentur Hessen GmBH. Bild © Christof Mattes

Nach ersten Erkenntnissen könne eine schwimmende Solaranlage sogar positive Auswirkungen auf das Ökosystem in Seen haben, sagt McGovern: Der Schatten auf der Wasserfläche könne das Wachstum von Algen hemmen und dafür sorgen, dass das Wasser nicht so schnell verdunste. Erste Studien mit positiven Ergebnissen hatte das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme durchgeführt.

Das Institut berechnete zudem, dass schwimmende Solaranlagen auf deutschen Seen ein Potenzial von bis zu 44 Gigawatt Leistung bieten könnten. Zum Vergleich: Ende 2021 waren in Hessen durch erneuerbare Energien insgesamt 5,3 Gigawatt Leistung am Netz.

Nur künstliche Seen geeignet

"Hessen ist kein typisches Seenland", sagt LEA-Geschäftsführer McGovern, so könne die Technologie hier lediglich als Ergänzung zu anderen erneuerbaren Energieträgern gesehen werden. Doch wie die Baggerseen in Babenhausen, Trebur und Riedstadt sind die meisten der insgesamt 773 Seen und Talsperren in Hessen künstlich entstanden. Und genau das ist eine Voraussetzung dafür, dass überhaupt schwimmende Solaranlagen gebaut werden dürfen - so steht es im Wasserhaushaltsgesetz.

Dort stehen seit 2022 auch weitere Vorgaben zu schwimmenden Solaranlagen, die einen zu großen Eingriff in das Ökosystem des Sees verhindern sollen. So müssen die Anlagen einen Mindestabstand von 40 Metern zum Ufer einhalten und dürfen nicht mehr als 15 Prozent der Fläche eines Sees bedecken.

Bürgermeister: Gesetzeslage kompliziert

Die Neuregelungen stellen auch das Projekt in Babenhausen vor neue Herausforderungen. "Unser Bebauungsplan sieht 60 Prozent der Fläche vor", sagt Bludau. Ob der Plan nun nochmal angepasst werden müsse oder eine Ausnahmeregelung für bereits geprüfte Flächen zum Tragen komme - das könne ihm bislang niemand sicher beantworten. "Letztendlich müssen das vermutlich Gerichte entscheiden."

Auch Babenhausens Bürgermeister Dominik Stadler (parteilos) bereiten die rechtlichen Fragen rund um die schwimmenden Photovoltaikanlagen Sorge. Er sehe grundsätzlich viel Potenzial in der Technologie für Babenhausen, nicht nur der See am Kieswerk von Andreas Bludau eigne sich - theoretisch.

"Wir haben hier ganz viele Seen", sagt Stadler, und es hätten bereits viele Gespräche dazu stattgefunden - unter anderem mit dem Energieversorger Entega. "Aber für uns als Stadt ist das relativ kompliziert umzusetzen."

Flächennutzungspläne, Umweltverträglichkeit und Vorgaben aus dem Bergrecht: Die Gesetzeslage sei insgesamt so kompliziert, dass sie für eine kleine Stadt wie Babenhausen kaum zu bewerkstelligen sei. Auf mehreren Ebenen müssten unterschiedliche Genehmigungen eingeholt werden - und nicht immer seien die privaten Eigentümer der Baggerseen überhaupt an einer Solaranlage interessiert, sagt Stadler.

Plan für "Solarsee" nicht aufgegeben

Andreas Bludau jedenfalls hat sein Projekt des "Solarsees" für Babenhausen noch immer nicht aufgegeben - und offenbar auch nicht seinen Pioniergeist. Aktuell arbeite er an einer "kunststofffreien Unterkonstruktion", auf der die Solaranlagen schwimmen sollen - wenn sie dann einmal gebaut werden können.

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Sendung: hr4, 13.03.2023, 07.12 Uhr

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Quelle: hessenschau.de