Smartwatches, Fitness-Tracker und Co. Selbstoptimierung made in Hessen
Der Markt mit kleinen elektronischen Geräten zur Kontrolle der eigenen sportlichen Leistungen oder wichtiger Körperfunktionen boomt. Manche Fitness-Tracker stammen von Start-ups aus Hessen.
Das Kasseler Start-up Straffr hat ein intelligentes Fitnessband entwickelt. Darin ist ein Widerstandssensor integriert. Er misst, wie stark Trainierende das feste, bis zu zwei Meter lange Band belasten und mit welcher Intensität und Kraft sie ihre Übungen etwa zur Rückenstärkung oder zum Bizepsaufbau durchführen. All diese Daten schickt der Sensor an eine Trainingsapp.
"Die App gibt unseren Kunden zu ihrem Training live Feedback, achtet auch auf die richtige Ausführung, genau wie ein Personal Trainer", sagt Hanno Storz, einer der Gründer von Straffr. Er und seine Partner stellten das Start-up 2019 auf die Beine, beschäftigen heute fünf Mitarbeiter und verkauften bereits mehr als 10.000 ihrer smarten, türkisfarbenen oder roten Fitnessbänder. Diese kosten rund 130 Euro, im Vergleich zu herkömmlichen Bändern ein Vielfaches.
"Die Fitnessbänder eignen sich insbesondere für technikinteressierte Menschen, die mehrmals die Woche effizient trainieren wollen", sagt der 35 Jahre alte Gründer. Grundsätzlich, beobachtet Storz, fragten Verbraucher Geräte und Apps, die sportliche Leistungen sowie Gesundheitsdaten messen, immer stärker nach: "Das ist ein Zukunftsmarkt."
Im Schnitt geben Menschen pro Gerät 200 Euro aus
Und bereits einer in der Gegenwart. Nach Angaben des Branchenverbands Bitkom trägt jeder oder jede Dritte in Hessen wie in Deutschland eine Smartwatch oder einen Fitnesstracker. Daneben gebe es schon smarte Ringe, intelligente Einlegesohlen und smarte Kleidung. Im Schnitt gäben die Menschen pro Gerät knapp 200 Euro aus.
Manchmal ist es sogar deutlich mehr. "Erst vorige Woche haben wir eine Sportuhr reinbekommen, die 1.100 Euro kostet und ein besonders kontrastreiches und hochauflösendes Display hat", berichtet Jost Wiebelhaus, Inhaber eines Frankfurter Laufshops. Trotz des hohen Preises sei die Uhr sehr gefragt. "So etwas tragen mittlerweile auch Geschäftsleute und Banker gerne im Berufsalltag", sagt Wiebelhaus.
Viele Kunden des Laufshops nutzen solche Sportuhren, um ihre Trainingsziele zu erreichen. Der 39 Jahre alte Patrick Backhove etwa trainiert für einen Marathon. "Da will ich nicht einfach nur ankommen, sondern ich laufe auf Zeit", sagt er. Die eigenen sportlichen Leistungen zu kontrollieren, sei dafür Grundvoraussetzung, findet der ambitionierte Hobbyläufer.
Wearables-Pionier in Büttelborn
Die 42 Jahre alte Julia Wuttke trägt neben einer Sportuhr noch einen intelligenten Ring. Der sammelt Daten über sportliche Aktivitäten, Stress und den eigenen Schlaf. "Und wenn ich körperlich nicht so gut in Form bin, signalisiert mir der Ring: Mach mal Pause", sagt sie. Auch dieser gesundheitliche Aspekt sei ihr sehr wichtig.
Ein klarer Trend, heißt es beim finnischen Sportuhrenhersteller Polar, der seinen Deutschlandsitz im südhessischen Büttelborn (Groß-Gerau) hat. Das Unternehmen bezeichnet sich als Pionier in Sachen Wearables. Damit sind kleine computergestützte Geräte gemeint, die Menschen am Körper tragen.
Wearables habe man 1977 erst für Leistungssportler entwickelt, dann für Hobbysportler. Mittlerweile achteten Kunden immer stärker auf den Gesundheitsaspekt, berichtet Anja Wolf, die Polar-Marketingchefin für Deutschland: "Selbstoptimierung ist die Grundlage unseres Geschäfts."
Konkrete Geschäftszahlen will Wolf nicht nennen, nur so viel: Das Ganze sei ein Wachstumsmarkt, allerdings ein hart umkämpfter. "Neben amerikanischen wollen viele asiatische Hersteller auf den Markt drängen, sie bieten Billigprodukte", sagt die Polar-Managerin. Es gebe aber große Unterschiede, wie genau die Geräte die Körperdaten messen. An den dafür zuständigen Sensoren forsche auch Polar kontinuierlich, berichtet Wolf: "Die messen etwa die Herzfrequenz schon so akkurat wie ein EKG beim Arzt."
Bundesweit ein Milliardenumsatz
Um die Forschung kümmern sich die Mitarbeiter in Büttelborn nicht, sondern ausschließlich um den Vertrieb. Warum Büttelborn? Das sei tatsächlich Zufall gewesen, weil der damalige Geschäftsführer für Deutschland in der Nähe wohnte, erzählt Wolf. Mittlerweile sei man über diesen Standort sehr froh, weil er durch Autobahn und Flughafen in der Nähe gut angeschlossen sei.
In der Selbstoptimierungsbranche mischen große wie kleine Firmen mit: Wie der Branchenverband für Unterhaltungs- und Haushaltselektronik gfu mit Sitz in Frankfurt mitteilt, erzielten sie mit Sportuhren, Fitness-Trackern und Co. allein im vergangenen Jahr bundesweit einen Umsatz von 1,45 Milliarden Euro.
Bei Frankfurter Firma läuft nicht alles rund
Doch nicht immer läuft alles so rund, das zeigt sich etwa bei der Frankfurter Firma Tracktics. Sie hat sich darauf spezialisiert, mit Hilfe von Trackern sportliche Leistungen im Fußball zu verbessern. Seit der Gründung im Jahr 2015 habe man rund 20.000 Spieler ausgerüstet, Amateurspieler ebenso wie professionelle Fußballer. Dass viele davon während der Corona-Pandemie pausieren mussten, war für das junge Unternehmen nach eigenen Angaben ein großes Problem. Es bescherte ihm deutliche Umsatzeinbußen, wie es mitteilt.
Derzeit gibt es darüber hinaus einige Kunden, die sich im Internet über lange Lieferzeiten beschweren. Dazu teilt das aktuell sechsköpfige Team mit: Man sei auf globale Lieferketten angewiesen, deren Koordination auch nach der Pandemie eine Herausforderung sei, vor allem für kleine Unternehmen wie Tracktics.