Städtische Wohnungsbaugesellschaft Mitarbeiter der ABG Frankfurt unter Korruptionsverdacht
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen zwei Mitarbeiter der Wohnungsbaugesellschaft. Der Landesrechnungshof und Transparency International fordern von Kommunalpolitikern, städtische Gesellschaften schärfer auf Korruption zu kontrollieren.
Gegen zwei Mitarbeiter der ABG Frankfurt Holding sowie einen Vermittler und einen Mieter wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Wie die Staatsanwaltschaft auf hr-Anfrage mitteilte, gab es deswegen bereits im Oktober 2021 Durchsuchungen. Es gehe dabei jeweils um den Vorwurf der bevorzugten Vergabe von ABG-Mietwohnungen gegen Schmiergeldzahlungen, sagte die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft am Donnerstag.
Die Staatsanwaltschaft bestätigte damit einen anonymen Hinweis, den der hr bekommen hatte. Die größte Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft bestätigte den Fall ebenfalls. Sie habe "unverzüglich nach Bekanntwerden des Verdachts Strafanzeige bei den Ermittlungsbehörden erstattet" und "im Zusammenwirken mit den Ermittlungsbehörden interne Aufklärungsprozesse eingeleitet". Einem Mitarbeiter sei gekündigt worden. Ein Verfahren gegen einen weiteren ABG-Mitarbeiter sei bislang nicht bekannt gewesen.
Zwei weitere Verfahren eingestellt
Die Staatsanwaltschaft ermittle bereits seit ungefähr Frühjahr 2020 in dem Verfahrenskomplex, sagte Behördensprecherin Nadja Niesen. 2022 seien weitere Verfahren hinzugekommen. Im Januar dieses Jahres seien dann zwei Verfahren eingestellt worden, da sich der Tatverdacht der Bestechung und Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr nicht erhärtet habe.
Um wie viel Geld es bei den mutmaßlichen Bestechungen gehen soll, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. ABG-Geschäftsführer Frank Junker zufolge war beim Vorwurf gegen den Mitarbeiter von einem dreistelligen Betrag für die bevorzugte Wohnungsvermittlung die Rede.
Nicht-Information "nicht ungewöhnlich"
Die Stadtregierung war bislang nicht über die Ermittlungen informiert. Vor der hr-Anfrage habe man "keinerlei Kenntnis von den von Ihnen geschilderten Korruptionsermittlungen gegen einen Mitarbeiter der ABG Frankfurt Holding" gehabt, schrieb Bastian Bergerhoff (Grüne), der als Kämmerer auch für die städtischen Beteiligungen zuständig ist. Das sei "aber insofern nicht ungewöhnlich, da dem Beteiligungsdezernat solche Ermittlungen nicht gemeldet werden (müssen)".
Frankfurt hält Beteiligungen an rund 570 Gesellschaften. Dazu gehört die ABG Frankfurt Holding mit rund 50.000 Wohnungen, Parkhäusern und der Saalbau-Betriebsgesellschaft.
Das oberste Kontrollgremium dieser öffentlichen Unternehmen ist jeweils der von der Stadt kontrollierte Aufsichtsrat. In dem für Gesellschaften wie die ABG geltenden Public-Corporate-Governance-Kodex heißt es, der Aufsichtsrat sei zu informieren "über wichtige Ereignisse, die für die Beurteilung der Lage und Entwicklung sowie für die Leitung des Unternehmens von wesentlicher Bedeutung sind".
Unverständnis bei Transparency International
Doch Korruptionsermittlungen fallen aus Sicht des Magistrats nicht darunter. Weder Bergerhoff noch Planungsdezernent Mike Josef (SPD) beanstanden, nicht informiert worden zu sein. Josef ist als Planungsdezernent der Vorsitzende des ABG-Aufsichtsrats. "Bei gravierenden Fällen kann die Geschäftsführung dem Aufsichtsrat direkt berichten, das liegt im Ermessen der Geschäftsführung", teilten beide Politiker dazu mit.
Diese Haltung stößt bei Matthias Einmahl von Transparency International Deutschland (TID) auf Unverständnis. Gerade in Frankfurt, wo der ehemalige Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) wegen Korruption verurteilt wurde, sei es nicht nachvollziehbar, "dass Stadtpolitiker nicht informiert werden wollen".
"Aufsichtsräte haben einen Anspruch"
Informationen seien wichtig, weil Bestechungsfälle Anzeichen für systemische Schwächen in einem Unternehmen sein könnten, sagt der Anti-Korruption-Experte. Sie könnten Hinweise darauf geben, dass es in einem Unternehmen Mängel in der Compliance-Kultur gebe. "Die ABG wird aus Steuergeld finanziert. Die Öffentlichkeit hat die Gewähr zu haben, dass aus ihr kein Geld in irgendwelche korruptiven Zwecken abfließt", findet Einmahl.
Auch der Präsident des Landesrechnungshofs, Walter Wallmann, kritisiert den Umgang der Frankfurter Stadtregierung mit diesem Fall. Die Geldsummen, die Beteiligungsgesellschaften in Großstädten bewegen, seien größer als die in den Kernhaushalten selbst.
"Natürlich haben die Aufsichtsräte einen Anspruch darauf zu erfahren, wenn solche Korruptionsfälle in städtischen Unternehmen vorkommen", so Wallmann. Die Kontrolle öffentlicher Unternehmen sei eine Voraussetzung dafür, dass das Vertrauen der Bürger in den Staat und die öffentliche Verwaltung erhalten bleibe.
FDP und Linke fordern Aufklärung
Ähnlich sieht das der Fraktionsvorsitzende der FDP im Römer, Yanki Pürsün. Es gebe keinen Grund, relevante Korruptionsfälle nicht standardmäßig dem Aufsichtsrat und dem Magistrat zu melden, teilte er mit. "Ganz im Gegenteil. Ermittlungen sind nicht gefährdet, weil es nicht zu einem verfrühten Zeitpunkt erfolgen würde."
Der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Eyup Yilmaz, forderte den Rücktritt des Geschäftsführers der ABG, da dieser die Stadt nicht informiert habe, sowie eine lückenlose Aufklärung. Der Vorgang falle in eine Zeit, in der sich der Aufsichtsrat nach den Kommunalwahlen 2021 neu hätte konstituieren müssen. Bis heute sei unklar, warum dies erst im vergangenen Dezember geschah. Die Linke werde dazu Akteneinsicht beantragen.
Sendung: hr-iNFO, 02.03.2023, 6 Uhr
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