Höhere Anforderungen an Prüflinge Steigende Durchfallerquote beim Führerschein muss nicht schlecht sein
Die Quote nicht bestandener Führerscheinprüfungen in Hessen steigt seit Jahren. Für Prüflinge mag das frustrierend sein, für Experten ist es ein Zeichen dafür, dass das System funktioniert.
Rückwärtsgang, Schulterblick, Lenkrad einschlagen - langsam parkt Sophia Gejer das schwarze Fahrschulauto am Straßenrand ein. Hinter ihr wartet ein Transporter in der engen Straße der Marburger Innenstadt. Die 17-jährige Fahrschülerin sollte sich also nicht allzu viel Zeit lassen. "Hier in der Stadt ist es aufregend, es gibt so viele Verkehrsteilnehmer", sagt sie. Und aufgeregt ist Sophia ohnehin: In einer Woche will sie ihre praktische Führerscheinprüfung ablegen.
Nervös vor der Führerscheinprüfung, so geht es vielen. Sophia Gejers Fahrlehrer Stas Rommel führt das auch darauf zurück, dass die Anforderungen an die Prüflinge steigen. Die Zahl der Autos habe in den vergangenen Jahren zugenommen, gleichzeitig nähmen die Verkehrsteilnehmer immer weniger Rücksicht aufeinander, sagt er: "Fahrschüler nehmen heute deshalb im Schnitt mehr Fahrstunden als noch vor zehn, fünfzehn Jahren."
Trotzdem steigt auch die Zahl der nicht bestandenen Prüfungen in Hessen kontinuierlich. 2022 fielen nach Angaben des TÜV Hessen rund 39 Prozent aller praktischen Prüfungen für den Autoführerschein der Klasse B negativ aus. 2013 lag die Quote noch bei 31 Prozent.
Zunehmende Verkehrsdichte, neue Verkehrsteilnehmer
Schaut man sich die Prüfungsarten für alle Fahrzeugklassen, vom Auto bis zum LKW, getrennt an, fällt auf, dass sich der Trend gerade in der Theorie verschärft hat: von rund 19 Prozent im Jahr 2009 auf fast 35 Prozent im vergangenen Jahr. Bei der Praxis stieg die Durchfallerquote im selben Zeitraum von rund 22 Prozent auf knapp 27 Prozent.
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Die Gründe dafür seien nicht eindeutig, es gebe aber verschiedene Erklärungsansätze, sagt Uwe Herrmann vom TÜV Hessen. Zum Beispiel nähmen viele Jugendliche heute gar nicht mehr wahr, was im Verkehr passiert, wenn sie bei ihren Eltern im Auto mitfahren. "Weil sie auf ihr Handy gucken oder am Laptop spielen", sagt Herrmann.
Weitere Faktoren seien die zunehmende Verkehrsdichte und neue Verkehrsteilnehmer wie E-Scooter-Fahrer. Dann könnten nicht alle Prüflinge gleich gut Deutsch, verstünden also nicht alle Fragen gleichermaßen. Außerdem seien auch die Prüfungen selbst anspruchsvoller geworden, führt Herrmann aus.
Praktische Prüfung dauert deutlich länger
Die Theorieprüfung umfasst inzwischen Videos, bei denen es um das Erfassen und Verstehen einer Situation geht, und Fragen dazu. Darauf kann man sich nicht vorbereiten, indem man nur die Prüfungsunterlagen auswendig lernt. Die praktische Prüfung dauert seit 2021 nicht mehr 45, sondern 55 Minuten. Das bedeute zehn Minuten mehr Nervosität, sagt Fahrlehrer Stas Rommel: "Die Angst der Fahrschüler wird größer. Das führt dazu, dass sie sich in der Prüfung selbst blockieren und irgendwelchen Murks machen, den sie in der Fahrstunde nicht gemacht haben."
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Und so braucht es eben mehr Fahrstunden oder einen wiederholten Prüfungsversuch - der Statistik zufolge je nach Region in Hessen unterschiedlich oft. "Im ländlichen Bereich sind die Nichtbestehensquoten wesentlich geringer als in den Städten", berichtet Uwe Herrmann vom TÜV Hessen. In Großstädten sind die Verkehrssituationen in der Regel komplexer. Interessant ist allerdings, dass beim innerhessischen Vergleich die Durchfallerquote im TÜV-Bereich Frankfurt hinten rangiert. Ganz vorne liegt Kassel.
Im Ranking der Bundesländer steht Hessen gut da. Bei den Prüfungen für alle Führerscheinklassen, vom Auto bis zum LKW, haben 2021 nur die Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz und Bayern besser abgeschnitten. Laut Uwe Herrmann vom TÜV Hessen liegt das an der guten Ausbildung und der guten Kontrolle der Fahrschulen im Land.
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Grund zur Sorge bereitet der steigende Anteil nicht bestandener Prüfungen dem Leiter des Bereichs Verkehr beim ADAC Hessen-Thüringen allerdings nicht. Wie Wolfgang Herda dem hr auf Anfrage schreibt, ist die Durchfallerquote vielmehr ein Hinweis darauf, dass bei Führerscheinprüfungen sinnvollerweise auf Verkehrssicherheit eben sehr viel Wert gelegt werde. Wer sich nicht gründlich darauf vorbereite, nehme diese wichtige Hürde eben nicht.
Frustrierend für die Schülerinnen und Schüler ist es aber doch, durch eine Prüfung zu rasseln - und teuer dazu. Wie ließe sich der Negativ-Trend umkehren? Fahrlehrer Stas Rommel aus Marburg setzt auf Empathie: "Wir müssen mehr auf die Fahrschüler eingehen, einfühlsamer sein und ihnen die Angst nehmen."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 05.01.2023, 19.30 Uhr
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