Streikende Lkw-Fahrer in Gräfenhausen "Wir bleiben. Und wenn es bis zum Tod ist"

Noch immer streiken Lkw-Fahrer an der Raststätte Gräfenhausen, weil sie keinen Lohn erhalten. Bei einem Besuch drücken Politiker und Gewerkschaftler ihre Solidarität mit ihnen aus. Eine Lösung des Konflikts ist aber weiter nicht in Sicht.

"No Money" haben die streikenden Lastwagenfahrer auf der Raststätte Gräfenhausen auf einen der Lkws geschrieben.
"No Money" haben die streikenden Lastwagenfahrer auf der Raststätte Gräfenhausen auf einen der Lkws geschrieben. Bild © picture-alliance/dpa
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In großen, weißen Lettern haben die Fahrer den Namen ihres Arbeitgebers auf die blaue Plane des Lastwagen geklebt und darunter: "No money", kein Geld. Wieder streiken auf der Raststätte Gräfenhausen (Darmstadt-Dieburg) an der A5 Lkw-Fahrer. Am Freitagmorgen schätzte die Polizei die Zahl der Fahrzeuge auf 130.

Die Fahrer warten auf ausstehenden Lohn von der polnischen Spedition, für die sie auf deutschen Autobahnen unterwegs sind. Geld haben sie nach ihren Angaben seit Monaten nicht gesehen, ihre Familien ebenso wenig.

"Einer für alle, alle für einen"

"Wir sind hier Georgier, Kasachen, Usbeken, Tadschiken", sagt Shukhrat Rarimov, der selbst aus dem zentralasiatischen Usbekistan stammt. "Aber wir sind hier so eng, so einig. Wir lassen nicht zu, dass uns jemand zu teilen versucht."

Vladimer Pilauris, ein Georgier, nickt zustimmend. "Selbst wenn sie mich bezahlen, bleibe ich hier bis zum Ende." Rarimov legt einen Arm um die Schulter des Kollegen. "Einer für alle, alle für einen."

Besuch von Gewerkschaftlern und SPD-Politikern

Am Sonntag erhielten die Fahrer Besuch von Gewerkschaftlern und Politikern. "Wenn Menschen um ihre Arbeitsbedingungen kämpfen, dann ist das ein Moment, der uns nicht kalt lässt", erkläre Matthias Körner vom Deutschen Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen sein Kommen. Ähnlich äußerte sich der rheinland-pfälzische Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD).

"Wir können nicht die Augen verschließen vor dem Schicksal der Menschen, die unsere Waren und Güter transportieren." Die Fahrer seien Teil des deutschen Wirtschaftsmodells. Schweitzer verwies auf eine Initiative der Sozialminister, die den Bund auffordert, einen Bericht vorzulegen, wie sich die Kontrolle des Mindestlohns für grenzüberschreitenden Güterverkehr verbessern lässt. 

Ausweichflächen für den Protest?

Nach Gräfenhausen war an diesem Tag auch die hessische Landtagsabgeordnete Heike Hofmann (SPD) gekommen. "Wir drängen darauf, dass die Gehälter der Lkw-Fahrer unverzüglich gezahlt werden. Und dass sich insgesamt die Rahmenbedingungen für diesen Beruf verbessern", sagte sie. Sie zeigte sich enttäuscht, dass niemand von der hessischen Landesregierung gekommen sei.

Ebenfalls vor Ort war Parteikollege Bijan Kaffenberger, SPD-Abgeordneter aus Darmstadt: Er sei im Gespräch mit Bürgermeistern in seinem Wahlkreis, um den Fahrern für ihren Protest eine Ausweichfläche zu Verfügung zu stellen, wo sie sich auch wieder duschen könnten. Wegen der hohen Auslastung hat die Polizei den Rastplatz für weitere Lkw gesperrt.

Gräfenhausen ist zu einem Symbol geworden

Noch vor einer Woche hatte es so ausgesehen, als ob "Gräfenhausen 2", der zweite Streik osteuropäischer Fernfahrer derselben Spedition innerhalb von drei Monaten, sehr schnell vorbei sein könnte.

Die ersten Fahrer, die am Dienstag und Mittwoch vergangener Woche in Gräfenhausen halt gemacht und in den Streik getreten waren, hatten sich sehr schnell in individuellen Verhandlungen mit dem Unternehmen geeinigt, ihr Geld erhalten und daraufhin Fahrzeuge und Ladung Firmenvertretern übergeben. Doch nach dem ersten knappen Dutzend Fahrer waren immer mehr hinzugekommen. Warum der Rastplatz Gräfenhausen?

Der Rastplatz ist der Ort des ersten Streiks, für viele der russischsprachigen Fahrer offenbar ein Ort, wo sich Kollegen zum ersten Mal geschlossen zusammenfanden und um ihr Geld und ihre Würde kämpften. An Karfreitag versuchte damals der polnische Spediteur den Streik per Privat-Miliz gewaltsam zu beenden.

"Wir bleiben. Und wenn es bis zum Tod ist"

Übereinstimmend berichten die Fahrer, dass es derzeit keine Verhandlungen gebe. "Seit Montag gab es keine Geldüberweisungen mehr", bestätigt Anna Weirich vom Beratungsnetzwerk "faire Mobilität". Auch Gespräche stagnieren.

Auf eine schnelle Lösung wagt derzeit kaum einer zu hoffen. Giorgi, ein schmaler, grauhaariger Georgier mit Vollbart und nachdenklichem Blick, ist jetzt schon seit mehr als einer Woche dabei. "Wir bleiben. Der Streik dauert. Und wenn es bis zum Tod ist."

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 30.7.2023, 18.15 Uhr

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Quelle: Jutta Nieswand, hr, dpa/lhe