Tegut verliert gegen Stadt Fulda VGH verbietet Mini-Supermärkten Öffnung an Sonn- und Feiertagen

Rund um die Uhr einkaufen und das ohne Personal: In den Mini-Supermärkten "Tegut Teo" ging das bisher auch sonn- und feiertags. Damit verstieß der Händler allerdings gegen das Ladenöffnungsgesetz, wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof urteilte.

Mini-Märkte von tegut
Tegut wollte mit digitalen Mini-Märkten weiter expandieren und erhielt vorerst einen Dämpfer - per Gerichtsentscheidung. Bild © Tegut
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Hessens oberstes Verwaltungsgericht hat der Öffnung von digitalen Mini-Supermärkten der Fuldaer Handelskette Tegut an Sonn- und Feiertagen einen Riegel vorgeschoben. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel teilte am Donnerstag mit, dass die von der Stadt Fulda verfügte Schließung der bislang rund um die Uhr geöffneten Verkaufsstellen "Teo" an Sonn- und Feiertagen Bestand hat.

Das Unternehmen mit Hauptsitz in Fulda informierte im Internet seine Kunden, dass die fast 30 Teo-Filialen in Hessen künftig sonntags geschlossen bleiben. Ausnahmen seien die Läden in Hanau und Darmstadt in Bahnhofsnähe, für die eine Ausnahmeregelung gelte.

Dem hessischem Ladenöffnungsgesetz zufolge müssten Geschäfte an Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen werden, begründete der VGH. Darunter fielen Geschäfte aller Art, solange sie ständig Waren zum Verkauf an jeden anböten. (Az.: 8 B 77/22)

Jahrelanger Rechtsstreit

Der Rechtsstreit zwischen der Handelskette Tegut und der Stadt Fulda dauerte mehr als zwei Jahre. Im Oktober 2021 verfügte die Stadt, dass die Mini-Supermärkte an Sonn- und Feiertagen zu schließen seien. Es habe sich seinerzeit um eine neuartige Verkaufsform gehandelt. Deren rechtliche Bewertung sei mit Blick auf das hessische Ladenöffnungsgesetz unklar gewesen, begründete ein Stadtsprecher auf hr-Anfrage.

Die Stadt betonte am Freitag, sie habe die Anordnung zur Schließung keineswegs forciert, sondern "das Projekt von Anfang an positiv begleitet". Man sei allerdings an Recht und Gesetz gebunden und habe die gerichtliche Klärung eines strittigen Sachverhalts herbeiführen müssen, erklärte die Stadtverwaltung.

Die Schließung angeordnet habe die Stadt erst nach Hinweisen, Prüfungen und Stellungnahmen des Regierungspräsidiums Kassel als Aufsichtsbehörde sowie des hessischen Sozialministeriums. Gegen die Verfügung ging Tegut gerichtlich vor. Die Richter in Kassel gaben jedoch der Stadt nun auch in zweiter Instanz Recht. Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht Kassel ähnlich entschieden.

Vollversorgung ohne Personal

"Tegut Teo" ist ein Kleinflächen-Konzept: Auf rund 50 Quadratmetern in Waggon-Optik werden 950 Artikel angeboten. Zum Vergleich: Ein gewöhnlicher Supermarkt führt mehr als 20.000 Artikel. Dennoch erhebt die Handelskette den Anspruch, in den Mini-Märkten eine Vollversorgung zu bieten und den täglichen Bedarf bedienen zu können.

Kunden erhalten den Zugang nach einer digitalen Kontrolle. Auch die Bezahlung wird digital abgewickelt. An Sonn- und Feiertagen sind in den videoüberwachten "Teo"-Märkten gar keine Mitarbeiter eingesetzt.

Tegut betreibt länderübergreifend 39 solcher Verkaufsstellen, 28 davon in Hessen. Während die Handelskette durch die Mini-Märkte Personal spart, sollen sie für die Kundschaft eine "ideale Anlaufstelle für Ergänzungskäufe" sein, wie es Tegut bezeichnet.

Der Kunde könne dort zum Beispiel mitnehmen, was auf die Schnelle besorgt werden muss, bei einem anderen Einkauf vergessen wurde oder womöglich woanders nicht zu bekommen war. Die Erfahrung zeigt laut Tegut, dass der größte Teil der Kundschaft nur für wenige Euro einkaufe.

Wie der VGH seine Entscheidung begründete

Trotzdem gilt das hessische Ladenöffnungsgesetz auch für die digitalen Mini-Märkte, entschieden die Richter. Für das Anbieten der Waren mache es keinen Unterschied, ob der Kunde sie aus einem Automaten oder von einem Verkaufstisch an sich nehme.

Der Verkaufsvorgang setze in beiden Fällen ein aktives Handeln des Kunden voraus. Das hessische Ladenöffnungsgesetz dient nach Ansicht des Gerichts nicht nur dem Arbeitnehmerschutz der Verkäufer, sondern darüber hinaus dem Ziel, Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe zu schützen.

Keine Grundsatzentscheidung

Die Entscheidung ist laut VGH verwaltungsrechtlich nicht anfechtbar. Sie hat genau genommen aber nur bindende Wirkung für die Verfahrensbeteiligten - also Tegut und die Stadt Fulda, wie eine VGH-Sprecherin auf Nachfrage sagte.

Man könne daraus nicht automatisch eine Grundsatzentscheidung mit Signalwirkung für andere Orte oder Akteure ableiten. Zudem habe es sich hier um ein Eilverfahren gehandelt. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren sei noch abzuwarten.

Tegut hofft auf Modernisierung der Gesetze

Laut dem Tegut-Sprecher steht das Konzept mit der VGH-Entscheidung allerdings nicht vor dem Aus: "Wir halten nach wie vor an Teo fest und hoffen auf eine Modernisierung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes." Der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung spreche ausdrücklich die Möglichkeit einer Sonntagsöffnung von Angebotskonzepten wie dem "Teo" an.

Tegut ist der Auffassung, dass bei einer Sonntagsöffnung keine Sonntagsarbeit für Mitarbeitende anfalle, weil die Warenangebote automatenmäßig erfolgten. In Bayern etwa seien seitens der Behörden "Lösungen gefunden" worden, um den Betrieb der "Teos" zu ermöglichen. Diese Märkte trügen gerade in strukturschwachen Regionen erheblich zur Nahversorgung der Bürger bei.

Mit den Mini-Supermärkten sah sich das Unternehmen zuletzt auf Expansionskurs und wollte weitere Verkaufsstellen eröffnen. Diese Pläne haben nun einen Dämpfer erhalten: "Für die strategische Weiterentwicklung des Konzepts heißt das zunächst einmal, dass wir alle bestehenden Teo-Standorte in Hessen zur Disposition stellen und neue Standorte in Frage stellen."

Gewerkschaft und Kirchen zufrieden

Die Allianz für den freien Sonntag Hessen begrüßte das Urteil. "Sonntagsschutz ist mehr als Arbeitsschutz für die von sonntäglichen Ladenöffnungen betroffenen Beschäftigten, sondern Erhalt eines wesentlichen Kulturgutes", erklärte Sprecher Bernard Schiederig. Das habe der Verwaltungsgerichtshof bestätigt.

In dem Bündnis arbeiten Einrichtungen und Organisationen der evangelischen und katholischen Kirche sowie der Gewerkschaft Verdi zusammen.

Stadt Fulda will sich für Neuregelung einsetzen

Fuldas Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld (CDU) und Tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet sprachen nach Angaben der Stadt am Freitag bei einem Treffen über Möglichkeiten einer gesetzlichen Neuregelung. Die Stadt setze nun darauf, im Einklang mit den kommunalen Spitzenverbänden in Hessen bei der künftigen Landesregierung eine Neuregelung des Ladenöffnungsgesetzes in die Wege zu leiten.

Es gehe darum, eine "zeitgemäße und auf die Lebenswirklichkeit der Menschen abzielende Regelung" zu ermöglichen und zugleich den Sonntagsschutz nicht außer Acht zu lassen. Gerade in kleineren Stadtteilen und ländlichen Kommunen könne Teo helfen, Versorgungslücken zu schließen.

FDP will Regelung im neuen Landtag thematisieren

Eine Reform des Ladenöffnungsgesetzes forderte am Sonntag nach der VGH-Entscheidung auch Stefan Naas, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag.

"Wir werden eine eigene Initiative einbringen, um den Missstand zu beheben und falls nötig einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen", kündigte Naas für die anstehende Legislaturperiode an. Die geänderten Öffnungszeiten der Teo-Läden seien "nicht nur schlecht für die Wirtschaft, sondern auch für die Kunden".

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Redaktion: Jörn Perske

Sendung: hr4, 05.01.2024, 06.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, AFP, dpa/lhe