Umweltschonendes Heizen? Viele Hessen liebäugeln mit Fernwärme

Fernwärme statt Öl und Gas? Zum Heizen wird diese Energieform für immer mehr hessische Bürger und Kommunen interessant. Doch in der Praxis hat das Ganze seine Tücken.

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Allein einen Fernwärmeanschluss zu bekommen, kann schwierig sein. Diese Erfahrung musste der Frankfurter Stephan Emmel machen. Er suchte nach eigenen Angaben einen Ersatz für seine alte Gasheizung und wohnt in der Nähe eines Heizkraftwerks, mit dessen Hilfe der Frankfurter Energieversorger Mainova Fernwärme erzeugt. Vor Monaten habe er dort und bei der Stadt einen Antrag gestellt, bislang ohne Erfolg, wie er sagt

Fernwärme als Baustein der Klimawende

Dabei sollen jedes Jahr in ganz Deutschland 100.000 Haushalte an Fernwärmenetze angeschlossen werden, wenn es nach der Bundesregierung geht. Während eines Gipfels Anfang der Woche lobten Politiker die Fernwärme als Alternative zu Öl und Gas und als kosteneffiziente Lösung für die Wärmeversorgung von Kommunen.

Fernwärme ist für sie außerdem ein wichtiger Baustein bei der Klimawende: Denn gebe es vor Ort erst ein Wärmenetz, könne man es auch mit erneuerbaren Energien betreiben, ohne dass jedes an dieses Netz angeschlossene Gebäude umgebaut werden müsse.

Fernwärme auch für kleinere Städte interessant

In Hessen kommt die Fernwärme vielerorts schon zum Einsatz. Im vergangenen Jahr wurde von den 2,9 Millionen Haushalten etwa jeder Zehnte damit geheizt. Laut hessischem Wirtschaftsministerium gibt es bereits in etwa 40 Kommunen Wärmenetze, vor allem in Großstädten wie Frankfurt, Wiesbaden und Kassel.

Landesweit seien über 1.000 Kilometer Leitungen verbaut. Fernwärme ist ein Nebenprodukt, das etwa Kraftwerke bei der Stromproduktion mit erzeugen. Dabei wird Wasser erhitzt und das gelangt über solche Rohre zu Wohnungen und Häusern.

Kommunen sind in der Pflicht

Und bald könnte Fernwärme in Hessen noch wichtiger werden. Denn aktuell arbeiten viele Kommunen Pläne aus, wie sie in Zukunft die Wärmeversorgung ihrer Bürger sicherstellen wollen. Dazu sind Städte und Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern laut dem hessischen Energiegesetz ab diesem November sogar verpflichtet. Dabei können sie prüfen, ob speziell Fernwärme für sie sinnvoll ist. Und offenbar kommt die selbst für kleinere Kommunen zunehmend in Frage.

Milliardensummen für den Ausbau nötig

Das zeigt das Beispiel Eschwege. Die nordhessische Stadt mit ihren 21.000 Einwohnern hat als erste hessische Kommune bereits die Eckpfeiler ihres Plans vorgestellt. Dabei soll ein neues Wärmenetz geschaffen werden. Gemeinsam mit den Stadtwerken hat die Stadt eine Studie in Auftrag gegeben, bei der überprüft werden soll, wie die Idee umgesetzt werden könnte. „In einer historischen Stadt ist ein Wärmenetz wirtschaftlicher zu betreiben, weil sich Fachwerkhäuser schwer dämmen lassen und Wärmepumpen schwierig werden“, sagt Bürgermeister Alexander Heppe.

Dagegen verfügt die Großstadt Frankfurt schon über ein umfassendes Wärmenetz. Das könnte gerade im Innenstadtbereich noch einmal deutlich ausgebaut werden, heißt es beim örtlichen Energieversorger Mainova. Aktuell decke man 25 Prozent des Wärmebedarfs durch Fernwärme, langfristig plane man mit bis zu 50 Prozent.

Anschlussgebühren müssen Kunden selbst tragen

Warum trotz dieser Pläne Interessierte wie der Frankfurter Stephan Emmel Monate vertröstet werden, dazu äußert sich die Mainova nicht. Die Kosten für den Ausbau dürften laut Stadt in die Milliarden gehen. Wie die Mainova betont, müssten einen Teil dieser Kosten, nämlich für den direkten Anschluss eines Gebäudes, wohl die Fernwärmekunden selbst tragen. Auch das könnte manchen Verbraucher abschrecken.

Laufende Kosten können sehr hoch werden

Neben den Anfangsinvestitionen sind die laufenden Kosten mitunter ebenfalls ein Problem, etwa in der Stadt Schwalbach: Dort haben etliche Bewohner diesen Winter erlebt, wie sich ihre monatlichen Abschläge plötzlich vervielfacht haben. Dazu wurden teilweise Nachzahlungen von mehreren tausend Euro fällig. Kosteneffizient, wie es Berliner Politiker formulieren, ist Fernwärme also nicht zwingend.

Bundesregierung will Verbraucherschutz stärken

Letztlich ist die Stadt Schwalbach selbst zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fernwärme dort im hessenweiten Vergleich überdurchschnittlich teuer ist. Deshalb habe man nun den Anbieter, aktuell die Süwag, aufgefordert zu erklären, wie es zu diesen Preisen komme. Selbst die hessische Landeskartellbehörde prüft den Verdacht des Missbrauchs.

Zwar greift für Fernwärme momentan eine Preisbremse. Daher müssen Verbraucher für die Kilowattstunde maximal 9,5 Cents bezahlen. Doch diese Hilfsmaßnahme läuft nächstes Jahr aus. Die Bundesregierung möchte aber im Bereich Fernwärme generell für mehr Preistransparenz sorgen und den Verbraucherschutz verbessern.

Wie umweltfreundlich ist Fernwärme wirklich?

Dazu ist fraglich, ob Fernwärme wirklich so umweltfreundlich ist, wie es der Bund darstellt. Denn auch viele hessische Energieversorger wie die Mainova betreiben ihre Kraftwerke überwiegend noch mit fossilen Brennstoffen wie etwa Gas. Immerhin nutzen sie sie energieeffizient, da sie in der Regel Strom und Wärme zugleich gewinnen. Und langfristig will etwa die Mainova auf andere Energiequellen setzen und etwa die Abwärme von Rechenzentren stärker nutzen. Ab Mitte nächsten Jahres solle so etwa der Frankfurter Konzert- und Veranstaltungsort Batschkapp geheizt werden.

Erst prüfen, dann verbrennen

In Wiesbaden wird die Fernwärme unter anderem dadurch erzeugt, das Sperrmüll verbrannt wird. Auch das wird vom dortigen Energieversorger ESWE als besonders umweltschonend gepriesen. "Unter Umweltaspekten sollte aber vorher geprüft werden, ob das Holz nicht noch weiterverarbeitet werden kann", sagt Klaus Hennenberg vom Ökoinstitut Darmstadt. Das bringe für den Klimaschutz mehr. Denn laut Bundumweltministerium entsteht beim Verbrennen von Holz sogar noch mehr CO2 als bei fossilen Energieträgern wie Kohle oder Gas.

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 15.06.2023, 16.15 Uhr.

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Quelle: hessenschau.de/Katrin Kimpel