Operationen verschoben 800 Beschäftigte am Uniklinikum Gießen und Marburg im Ausstand
Warnstreik am Uniklinikum in Gießen und Marburg: Hunderte Beschäftigte legten am Dienstag und Mittwoch ihre Arbeit nieder. Auch am Donnerstag werden Operationen verschoben. Die UKGM-Geschäftsführung kritisierte den Streik als "unnötig".
Am Dienstagmorgen ging es mit der Frühschicht los, seitdem läuft der Betrieb am Uniklinikum Gießen und Marburg (UKGM) spürbar eingeschränkt. Im Rahmen der aktuellen Tarif-Verhandlungen hat die Gewerkschaft Verdi die etwa 7.000 nicht-ärztlichen Beschäftigten am UKGM zum Warnstreik aufgerufen.
Die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Geschäftsleitung laufen seit Mitte Dezember. In zwei Gesprächsrunden konnte bisher aber keine Einigung erzielt werden. Die dritte Runde ist für kommenden Montag angesetzt.
Notdienstvereinbarung regelt Mindestpersonalbesetzung
Am Dienstag wurde zunächst ganztags ausschließlich in Marburg gestreikt. Um 9 Uhr gab es eine Kundgebung vor dem Haupteingang auf den Lahnbergen, an der etwa 300 bis 400 Streikende teilnahmen.
Am Mittwoch legten an beiden Standorten nach Gewerkschaftsangaben insgesamt 800 Mitarbeitende die Arbeit nieder. Rund 500 Menschen hätten sich an einem Demonstrationszug vom Haupteingang in Gießen in Richtung Innenstadt beteiligt. Wie bereits am Vortag kam es zu Einschränkungen für die Patienten, etwa wurden planbare Operationen verschoben.
Am Donnerstag soll erneut ganztags gestreikt werden, allerdings nur in Gießen. Außerdem ruft Verdi für den kommenden Verhandlungstag am 19. Februar (kommender Montag) ganztags an beiden Standorten zu Streiks auf.
Zu den nicht-ärztlichen Angestellten gehört das Pflegepersonal, aber beispielsweise auch Physiotherapeuten oder Radiologieassistenten. Eine Notdienstvereinbarung zwischen Verdi und Geschäftsführung sollte eine Mindestpersonalbesetzung in den bestreikten Bereichen regeln.
Verdi: "Direkte Antwort auf unzureichende Angebote"
Laut Verdi ist der Streik "die direkte Antwort auf die unzureichenden Angebote des Konzerns". Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm meint: "Die Beschäftigten haben genug von der Verzögerungstaktik." Nachdem im vergangenen Jahr für Entlastung gestreikt worden sei, gehe es nun darum, die "finanzielle Attraktivität" herzustellen, um das dafür notwendige Personal anzuziehen und zu halten.
Konkret fordert Verdi elf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 600 Euro monatlich. Für die Auszubildenden, Dual-Studierenden, Praktikanten und Psychotherapeuten in Ausbildung fordert die Gewerkschaft eine Lohnerhöhung von 250 Euro.
Streik-Teilnehmer: Mehr Geld, mehr Wertschätzung, mehr Personal
Streikteilnehmerin Lara Thompson arbeitet in der Bewegungstherapie mit Kindern- und Jugendlichen. Sie möge ihren Beruf grundsätzlich sehr gerne, meint sie. Aber es fehle einfach die Wertschätzung dafür.
Durch Personalmangel fehle zudem häufig die Zeit für einzelne. Dazu komme: Oft spüre sie die Erwartung, möglichst viele Patienten "abzufertigen" und dadurch auch möglichst viel abzurechnen.
Auch Timo Debus nimmt erstmals am Streik teil. "Ich habe drei Kinder zu Hause, die müssen versorgt werden", sagt Debus, der in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auf einer Station für Essstörungen arbeitet. Außerdem hoffe er, dass durch mehr Geld auch mehr Kollegen dazukommen.
Auch Debus meint: Im Klinik-Alltag sei der Personalmangel enorm spürbar. "Man hat oft keine Zeit, individuell mit Patienten zu arbeiten – es geht nur um Gruppenabfertigung." Insbesondere für Kinder und Jugendliche sei es aber wichtig, auch mal ein offenes Ohr zu haben. "Und es gibt einfach zu wenige Ohren gerade."
Gegenangebot der Geschäftsführung
Das derzeitige Gegenangebot der UKGM-Geschäftsführung umfasst unter anderem eine einmalige Inflationsprämie und eine Lohnerhöhung um mindestens 300 Euro.
So bietet die Geschäftsführung eine tarifliche Erhöhung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 100 Euro pro Monat zum 1. Juni 2024 an und eine weitere tarifliche Steigerung um 5,5 Prozent zum Januar 2025. Auszubildende sollen 150 Euro mehr erhalten, so der Vorschlag.
Geschäftsführung hält Streik für "unnötig"
Die Krankenhaus-Leitung rechnet hoch: Alle diese Komponenten würden mehr als 14 Prozent Lohnsteigerung bedeuten. Ein Streik sei deshalb "völlig unnötig". Man sei zuversichtlich, beim nächsten Verhandlungstermin zu einem "guten Kompromiss für beide Seiten zu kommen".
Zudem verweist die Geschäftsführung darauf, dass es wichtig sei, die Auswirkungen des neuen Entgelttarifvertrages und die des kürzlich unterzeichneten Entlastungstarifvertrages gemeinsam zu betrachten, "um die Leistungsfähigkeit des UKGM nicht zu überfordern".
Rückblick: Drei Wochen Streik am UKGM
Im Frühling 2023 hatte das nicht-ärztlichen Personal am UKGM bereits drei Wochen lang gestreikt mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen am privatisierten Uniklinikum zu verbessern. Mehr als 75 Prozent aller geplanten Operationen mussten deshalb zwischenzeitlich ausfallen.
Am Ende stand ein Kompromiss, der erst kürzlich in Form des sogenannten Entlastungstarifvertags finalisiert wurde. Zukünftig sollen Mitarbeitende etwa zusätzlichen Freizeitausgleich erhalten, wenn sie in mehreren Schichten unter besonders hoher Belastung gearbeitet haben. Es ist das erste Vertragswerk dieser Art an einem privatisierten Krankenhaus in Deutschland.
Redaktion: Rebekka Dieckmann
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 13.02.24, 16.45 Uhr