Betroffene in Fulda berichten Vier Perspektiven: Wie sich der Warnstreik auswirkt
Die einen streiken, die anderen müssen mit den vielfältigen Folgen leben: Wie Teilnehmer den Warnstreik im öffentlichen Verkehr verteidigen und was Betroffene dazu sagen, zeigte sich exemplarisch am Bahnhof Fulda.
Verwaiste Bahnsteige, leere Anzeigetafeln am Bahnhof und viele auf unterschiedliche Weise betroffene Menschen – der bundesweite Warnstreik hat am Montag den öffentlichen Verkehr größtenteils lahmgelegt. Am Bahnhof in Fulda trafen Streikende bei einer Kundgebung, gestrandete Pendler und Reisende sowie weitere vom Streik betroffene Menschen aufeinander.
Gewerkschafter: "Wertschätzung für geleistete Arbeit fehlt"
Vor dem Bahnhof in Fulda versammelten sich am Montagmorgen 250 Streikende. Sie zogen von dort durch die Innenstadt und machten mit Transparenten auf ihre Forderungen im Tarifkonflikt aufmerksam. Dabei machten sie mit Tröten, Pfeifen und Trommeln ihrem Unmut Luft. Auch an anderen Orten in Hessen gab es Kundgebungen und unterschiedliche Reaktionen.
In Fulda mit dabei war Tom Zill von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Der Gewerkschaftssekretär sprach für die Streikenden und machte klar, worum es ihnen geht: "Vom Arbeitgeber wurden noch keine verbesserten Angebote vorgelegt. Das ist alles vollkommen unzureichend und zeigt, dass die Wertschätzung für die geleistete Arbeit fehlt. Dabei sind die Beschäftigten immer bei Wind und Wetter im Einsatz, um den Betrieb am Laufen zu halten."
Die EVG fordere 650 Euro mehr Geld oder zwölf Prozent mehr Lohn, sagte Zill. Das sei auch nötig: "Viele Mitarbeitende fragen sich, wie sie ihre Familien ernähren sollen." Durch die Inflation und gestiegene Kosten für Energie und Lebensmittel bliebe immer weniger Geld zum Leben.
Zill sagte: "Viele arbeiten auch im Niedriglohnsektor und bekommen nur zwölf Euro pro Stunde. Dafür machen sie zum Beispiel Bahnhöfe und Züge sauber oder sorgen für Sicherheit." Doch mit dem geringen Lohn sollten die Mitarbeitenden nicht länger abgespeist werden: "Unsere Forderungen sind berechtigt. Und wir wollen ihnen mit dem Warnstreik Nachdruck verleihen."
Pendler: "Mitfahrgelegenheit organisieren statt Bahn fahren"
Wie geht's weiter? Das fragte sich am Montagmorgen Pendler Ricardo Hintersdorf. Er wollte mit der Regionalbahn von Fulda nach Gelnhausen (Main-Kinzig). Doch das klappte nicht. "Ich hatte gehofft, dass doch irgendwas fährt, deswegen bin ich trotz Streikankündigung zum Bahnhof gekommen." Er habe erstmal keine andere Option gesehen, ans Ziel zu kommen. Um dann vom Bahnhof wegzukommen, wollte er sich mit dem Handy eine Mitfahrgelegenheit organisieren. "Das ist umständlich, wird aber hoffentlich klappen."
Für den Streik zeigte Hintersdorf Verständnis. "Die Leute werden ihre Gründe haben. Und wenn es jetzt mal nur ein Tag ist, habe ich kein Problem damit."
Verkäuferin: "Streik kann man den Leuten nicht verdenken"
Im Zeitungskiosk des Bahnhofs in Fulda herrscht in den Morgenstunden üblicherweise reges Treiben. Doch am Montag kam wesentlich weniger Kundschaft, um sich mit Zeitungen und Magazinen zu versorgen. "Heute ist sehr wenig los, das ist ungewöhnlich. Es waren vielleicht 30 Leute bisher da. Normal sind es mehr als dreimal so viele. Aber das Geschäft wegen mangelndem Betrieb einfach schließen, können wir auch nicht", sagte Verkäuferin Petra Hermann. "Wir müssen den Tag anderweitig nutzen – Arbeit ist immer vorhanden." So bot sich genügend Zeit, Regale aufzufüllen und Organisatorisches zu regeln.
Auch die Verkäuferin zeigte Verständnis für den Warnstreik. "Ja, klar. Wenn es um mehr Geld geht für die Beschäftigten geht, muss es sein. Das kann man den Leuten nicht verdenken."
Bahn-Mitarbeitende: "Streik tut mir leid für die Reisenden"
Ins Fuldaer Reisezentrum der Deutschen Bahn verirrte sich fast niemand am Morgen. "Es ist sehr ruhig. Ich denke, die Reisenden sind informiert, dass heute gestreikt wird. Dennoch waren schon 20 Leute da. Wenn jemand kommt und mich fragt, wie und wann es weitergeht, kann ich auch nur sagen, dass es mir für die Reisenden leid tut, dass die Bahn streikt und es keine Möglichkeit gibt." Bahn-Mitarbeiterin Dücker durfte sich nicht am Warnstreik beteiligen: "Ich bin verbeamtet. Streiken ist mir nicht gestattet."
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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 27.03.2023, 19.30 Uhr
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