Viessmann-Chef im hr-Interview "Verkauf gibt Mitarbeitern bestmögliche Perspektive"
Warum verkauft das nordhessische Familienunternehmen Viessmann seine Klimasparte samt Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global? Und welchen Anteil an der Entscheidung hatte die Zukunft der Mitarbeitenden? Antworten vom Chef des Unternehmens, Max Viessmann, im hr-Interview.
Trotz gut laufender Geschäfte verkauft Viessmann mit seinem Hauptsitz in Allendorf (Waldeck-Frankenberg) seine Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global. Das Geschäft soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein, wie beide Seiten in der Nacht zum Mittwoch mitteilten.
Die für die Heizwende wichtigen Wärmepumpen werden nach Einschätzung von Experten künftig vor allem außerhalb Deutschlands gebaut. Beide Seiten hätten sich auf langfristige Garantien geeinigt, kündigte Viessmann an. So seien betriebsbedingte Kündigungen für drei Jahre ausgeschlossen, wichtige Standorte für Produktion und Entwicklung fünf Jahre gesichert und Allendorf an der Eder für zehn Jahre als Hauptsitz gesetzt.
Im hr-Interview erklärt Firmenchef Max Viessmann die Beweggründe für den Milliarden-Deal.
hessenschau.de: Mit dem Verkauf ist in der Region eine verhältnismäßig große Bombe geplatzt. Warum tun Sie das als Traditionsunternehmen, Herr Viessmann?
Max Viessmann: Wir bringen einen Teil unseres Familienunternehmens in eine andere Struktur ein - in ein in Zukunft globales Klimalösungs-Unternehmen, was nicht nur führend ist in Nordamerika und Teilen Asiens, sondern auch in Europa.
Wir tun das vor allem, weil es den Mitarbeitern die bestmögliche Langfrist-Perspektive gibt, in einem noch wettbewerbsfähigeren, in einem noch zukunftssicheren Umfeld unterwegs zu sein.
hessenschau.de: Auch für die Mitarbeiter am Standort Allendorf?
Viessmann: Die Partnerschaft sind wir eingegangen nach vielen Abwägungen der unterschiedlichen Möglichkeiten. Wir haben vor allem Wert darauf gelegt, dass die sozialen Aspekte im Vordergrund stehen. In den Gesprächen, auf dem Weg der Anbahnung, haben wir uns intensiv damit beschäftigt, dass wir das gleiche Verständnis haben.
Das sieht man auch in den sozialen Zusicherungen, die sehr weitreichend und sehr umfangreich und sehr ungewöhnlich sind für eine solche Partnerschaft. Deswegen schauen wir als Unternehmerfamilie sehr positiv nach vorne, weil wir wissen, dass alle Beteiligten bestmögliche Chancen haben, um sich zu entwickeln.
hessenschau.de: Viessmann ist den meisten bekannt als Heizungsbauer. Diese Sparte ist ja nun mehr oder weniger tot. Das heißt: Setzt das Unternehmen in Zukunft alleine auf die Wärmepumpen-Technologie?
Viessmann: Wir haben in den letzten Jahren aus einem reinen Heiztechnik-Unternehmen ein Klimalösungs-Unternehmen gemacht. Neben Wärmepumpen haben wir Stromspeicher und ein komplettes Energielösungs-Angebot entwickelt. Darüber hinaus haben wir digitale Dienste und Dienstleistungen geschaffen.
Das heißt: Heute schauen wir auf ein Unternehmen, das wichtige Produkte in Deutschland entwickelt und fertigt, aber auch wichtige Lösungen, insbesondere im digitalen Kontext. Damit sind wir sehr breit aufgestellt. Und in Kombination mit dem Produkt-Portfolio unseres Partners, der Carrier Gruppe, können wir noch besser unseren Installationspartnern und Kunden die richtigen Lösungen anbieten.
hessenschau.de: Wer ist auf wen zugekommen? Die Carrier Group auf Viessmann oder umgekehrt?
Viessmann: In den letzten anderthalb Jahren nach Ausbruch des Krieges haben wir uns sehr vielen Anfragen verwehren müssen. Wir haben uns innerhalb der Familie sehr intensiv damit auseinandergesetzt, wie sich der Markt langfristig entwickeln wird. Es ist offensichtlich gewesen, dass es große Veränderungen geben wird, auf die wir reagieren müssen - einmal kapitalseitig, aber auch in industrieller Größe.
Dann haben wir für uns entschieden: Es gibt klare Kriterien, an erster Stelle die Sozialverträglichkeit, also die Langfrist-Perspektive für die Mitarbeiter. Dann haben wir uns den richtigen Partner ausgesucht. Und es war sehr schnell klar, dass wir nicht nur die gleichen Werte teilen, sondern das Carrier hier in Europa investieren möchte, weil sie eine Riesenchance in der Kombination beider Unternehmen sehen.
hessenschau.de: Also ein Deal auf Augenhöhe?
Viessmann: Ein Deal, der geprägt ist vom gleichen Grundverständnis. Und wir bleiben Familienunternehmen mit der Viessmann-Gruppe, die eine relevante Minderheitsbeteiligung an der Carrier Gruppe vorsieht, die dazu führt, dass ich als Verwaltungsrat auch dort weiter mitwirken werde.
hessenschau.de: Hätte Viessmann das alleine nicht stemmen können?
Viessmann: Ich glaube, dass wir in den Innovationen extrem gut aufgestellt sind. Wenn man sich vor Augen führt, was wir hier entwickelt haben, dann ist das beispielgebend für die Branche, und darauf sind wir auch stolz, weil es sehr viel Kraft gekostet hat.
Aber wenn man sich vor Augen führt, in welcher Geschwindigkeit die Branche jetzt verändert wird, gerade auf der Nachfrage-Seite, was richtig ist, denn wir müssen den Gebäudesektor dekarbonisieren, dann stellen wir fest, dass wir in dieser Partnerschaft noch stärkere Zukunftsperspektiven haben.
Das Gespräch führte Jochen Schmidt.
Sendung: hr1, 26.04.2023, 17.15 Uhr
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