Handwerker aus Frankfurt Wenn der Installateur mit dem Fahrrad kommt
Wenn Christian Borgen aus Frankfurt einen Auftrag als Gas-, Wasser- und Heizungsinstallateur annimmt, muss er sich über die Parkplatzsuche keine Gedanken machen. Er erledigt seine Arbeit mit dem Rad und einem Anhänger. Dafür gibt es ablehnende Kommentare auf Social Media.
Frühmorgens in der Werkstatt von Borgen in Frankfurt-Niederrad: Christian Borgen packt in einen Fahrradanhänger einen Werkzeugkoffer, Knieschoner und weitere Utensilien, die ein Handwerker für den Einsatz vor Ort braucht. Der Gas-, Wasser- und Heizungsinstallateur verzichtet auf ein Auto oder einen Kleinbus – und radelt zu seinen Kunden.
"Anfangs habe ich mir eine To-Do-Liste geschrieben, wo ich die ganzen Positionen abgehakt habe", sagt Borgen. Denn wenn er etwas vergisst, muss er zurück in die Werkstatt radeln.
10.000 Kilometer auf dem Rad pro Jahr
Was nicht mit dem Fahrrad transportiert werden kann, zum Beispiel sperrige Rohre, lässt Borgen von den Firmen direkt zum Einsatzort liefern. Allzu lange kräftig in die Pedale treten muss Borgen nicht, denn seine Aufträge sucht er sich vor allem im Stadtteil Niederrad und Umgebung.
Rund 10.000 Kilometer beruflich auf dem Rad kommen trotzdem im Jahr zusammen, schätzt Borgen – dazu kommen noch die Strecken, die der Installateur auf seinem Mountainbike in der Freizeit fährt. Alles ohne elektronische Unterstützung.
Noch seien Handwerker auf dem Lastenrad eine kleine Nische, so die Einschätzung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Doch der Verband hat das Thema auf dem Schirm, diesen Herbst sollen bereits konkrete Zahlen zur Nutzung vorliegen. Zumindest in Frankfurt ist Borgen nicht der einzige Handwerker auf zwei Rädern.
Programm will mehr Handwerker aufs Lastenrad locken
Das Programm "flottes Gewerbe" sorgt dafür, dass Handwerksbetriebe kostenlos Lastenräder testen können – unter anderem die Stadt und die Handwerkskammer unterstützen die Aktion. Für mehr als drei Viertel der Teilnehmer kommt anschließend ein Lastenrad in Frage, wie aus einem Projektbericht vom November 2023 hervorgeht.
"Eher durchwachsen" sei hingegen die Rückmeldung seiner Mitarbeiter gewesen, sagt Joachim Baier, dessen Sanitär- und Installationsbetrieb im Frankfurter Stadtteil Seckbach ebenfalls für mehrere Wochen ein Test-Rad ausgeliehen hat. Die Extra-Bewegung sei zwar gut angekommen, für Ärger hätten aber die schlechten Zustände der Fahrradwege gesorgt. Fazit: Das Lastenrad könnte ein Auto in seinem Betrieb nicht ersetzen, aber ergänzen.
So reagieren Kunden und die Sozialen Medien
Seinen Handwerker-Kollegen muss er immer wieder erklären, dass das Fahrradfahren nichts mit Alkohol zu tun habe. "Die erste Frage ist oft: Hast du den Führerschein verloren?", berichtet Borgen. Fest steht: Der Handwerker mit Fahrrad und Anhänger bleibt ein seltener Anblick. Oft werde er nicht ernst genommen, sagt Borgen. Die Kunden würden ihn fragen, ob er eine "echte Firma" sei – er komme ja schließlich mit dem Fahrrad.
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Ablehnende Beiträge finden sich auch unter einem Beitrag der hessenschau über Borgen auf Instagram. "Blödsinn", schreibt ein Nutzer, das könne nicht funktionieren. Borgen solle mal auf dem Land arbeiten, schreibt ein anderer, "dann gute Nacht".
Im ländlichen Raum werde das Lastenrad eine geringere Rolle spielen, glaubt auch der ZDH auf hr-Anfrage. Aber bereits "im kleinstädtischen Kontext kann es eine interessante Ergänzung sein". Wichtig sei, dass die Handwerksbetriebe nicht weiter in abgelegene Gewerbegebiete verdrängt werden, sondern in der Nähe der Kunden blieben. Dann könne das Lastenrad einen Beitrag zur Mobilität von Handwerksbetrieben leisten.
Borgen fährt lieber Fahrrad statt Porsche
Doch warum ist Borgen auf das Rad gestiegen? "Ich war oft frustriert morgens, das ging fast bis zur Verzweiflung, wegen den Staus und der Parkplatzsuche", sagt der Installateur. Dann habe er sich überlegt, "ich probiere es mal mit dem Fahrrad." Hinzu kamen Umwelt- und Fitnessgedanken. Und ein wichtiges Argument, dass vor allem im Gespräch mit seinen Handwerker-Kollegen immer wieder aufkommt: Borgen spart viel Geld.
Vor allem junge Menschen würden ihn bestärken, sagt Borgen. Und auch in den sozialen Netzwerken gibt es Unterstützung: "Smarte Handwerker", schreibt ein Nutzer. "Davon brauchen wir mehr." Jetzt müssen sich noch die Kunden umgewöhnen. "Früher war das im Kopf der Menschen: Wenn du Meister wirst, fährst du einen Porsche", sagt Borgen. Doch statt einen schnellen Sportwagen zu fahren, bleibt Borgen lieber der Handwerker auf zwei Rädern.