Landwirte schlagen Alarm Tierseuchen: Die Situation verschärft sich in Hessen
Ob Afrikanische Schweinepest oder Maul- und Klauenseuche: Die Tierseuchen häufen sich in Deutschland. Das ist auch eine Belastung für hessische Landwirte. Diese fordern eine bundesweit einheitliche Regelung bei der Seuchenbekämpfung.
Peter Seeger ist angespannt. Rund 3.500 Schweine hält der Landwirt in Otzberg (Darmstadt-Dieburg) – normalerweise verkauft er fast wöchentlich Tiere an den Schlachter und kauft neue Ferkel nach.
Doch seit kurzem nimmt keiner mehr seine Schweine ab, rund 400 Schweine stehen jetzt noch bei ihm, die eigentlich schon weg sein sollten. "Die Schweine nehmen jeden Tag rund 800 Gramm zu, es wird immer enger in den Buchten. Nach ein paar Wochen kann das relevant für den Tierschutz werden", sorgt sich Seeger.
Seuchen belasten Landwirtschaft
Sein Problem: Otzberg liegt in der Sperrzone 2 der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Schweine von hier dürfen deshalb aktuell deutschlandweit nur in einem speziell dafür zertifizierten Stall geschlachtet werden, in Kellinghusen (Schleswig-Holstein).
Seit mehreren Monaten schickt deshalb Seeger seine Schweine auf die lange Reise, doch jetzt geht selbst das nicht mehr. Wegen der Maul- und Klauenseuche (MKS) nimmt nun auch der Schlachtbetrieb im Norden Deutschlands Seegers Schweine nicht mehr an.
Ein großes Problem für die Betriebe
"Die Maul- und Klauenseuche hat die Situation weiter verschärft", macht auch der hessische Bauernpräsident Karsten Schmal deutlich. Für Schmal bedingt zudem der weltweite Handel das Seuchengeschehen: "Die Globalisierung ist auf der einen Seite ein Segen für uns. Auf der anderen Seite sehen wir, dass das vermehrte Auftreten von Tierseuchen auch ein Problem für uns ist."
Die hochansteckende Viruskrankheit behindert die internationale Vermarktung der Schweine. Die Auswirkungen treffen Schweinehalter in ganz Deutschland und lassen die Tiere in den Ställen enger zusammenrücken. Landwirte in Sperrzonen der Afrikanischen Schweinepest trifft es nun doppelt.
Schmal stellt klar: "Das belastet die Betriebe, das ist ein riesiges Problem. Wir tun als Verband gerade alles dafür, dass sich Transportwege wieder öffnen."
Gespräche mit Schlachterei in Nordhessen laufen
Abhilfe schaffen soll ein hessischer Schlachtbetrieb, der bald auch Schweine aus der Sperrzone 2 der Afrikanischen Schweinepest schlachten können soll. Die Gespräche mit dem Schlachtbetrieb der Helwig Handels GmbH aus Schwalmstadt (Schwalm-Eder) laufen bereits, sagt der hessische Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU): "Wie immer liegt der Teufel im Detail. Aber ich denke, dass wir das schon hinkriegen werden." Bis zu 8.000 Schweine sollen laut Einschätzung eines Experten hier pro Woche geschlachtet werden können.
Landwirt Peter Seeger hofft sehr auf die Lösung in Nordhessen: "Zum einen würde es akut helfen, die Ställe leer zu kriegen. Zum anderen hätten wir einfach einen normalen Fahrtweg nach Schwalmstadt." Statt über sechs Stunden wie bislang nach Kellinghusen müssten seine Schweine nur rund zwei Stunden zum Schlachtbetrieb fahren.
Bedingungen immer schwieriger für Landwirte
Peter Seeger kann und will die Schweinehaltung derzeit nicht aufgeben. Obgleich er durchaus Verständnis für die Kollegen hat, die diesen Schritt in den vergangenen Monaten bereits gegangen sind.
Im Kreis Groß-Gerau sind von mehr als 4.000 Hausschweinen vor Ausbruch der Viruserkrankung im vergangenen Juni zwischenzeitlich nur noch 70 Tiere übrig geblieben, so die Amtstierärztin Katrin Stein. Mittlerweile hätte sich die Zahl langsam wieder auf rund 600 Schweine erhöht.
Bauernpräsident Karsten Schmal sieht in den Seuchen einen Beschleuniger für den ohnehin rapiden Strukturwandel in der Landwirtschaft. "Wir sind in vielen Bereichen in Hessen schon lange nicht mehr in der Lage, uns selbst zu versorgen. Und gerade angesichts der ganzen Krisen auf der Welt wäre eine regionale Versorgung mit Lebensmitteln wichtig."
Wie kam das Virus nach Hessen?
Obwohl noch immer nicht zweifelsfrei geklärt ist, wie das ASP-Virus nach Hessen gekommen ist, scheint es dennoch wahrscheinlich, dass es über den Menschen in den Kreis Groß-Gerau getragen worden ist. Denn der Virus-Typ ist so bisher nur in Osteuropa nachgewiesen worden. Das Virus könnte also zum Beispiel über ein weggeworfenes Wurstbrot an der Autobahn nach Hessen gekommen sein.
Nun ist es die Aufgabe der Landesregierung, der Behörden und der Landkreise, das Virus in seiner Verbreitung einzudämmen. Dazu gehört seit mehr als einem halben Jahr die tägliche Suche mit Kadaver-Spürhunden in Südhessen. Die Wildschweinkadaver werden auf das Virus getestet und es werden mobile sowie feste Zäune errichtet.
Allein der Kreis Groß-Gerau plant laut dem Ersten Kreisbeigeordneten Adil Oyan (Grüne) in diesem Jahr mit rund fünf Millionen Euro Kosten für die Bekämpfung der Schweinepest ein.
Jung fordert Unterstützung vom Bund
Landwirtschaftsminister Jung ärgert sich hier über mangelnde Unterstützung vom Bund. "Wir schützen nicht nur uns selbst, sondern auch die Bundesländer drumherum. Deshalb verstehen wir es nicht, dass wir das langfristig alleine zahlen."
Wie viel die ASP das Land Hessen kosten werde, sei derzeit noch nicht abzusehen – aufgrund des dynamischen Seuchengeschehens.
Einheitliche Regeln zur Tierseuchenbekämpfung
Auch Bauernpräsident Schmal fordert angesichts der aktuellen Seuchenlage eine bundesweit einheitliche Regelung zur Tierseuchenbekämpfung: "Unser föderales System ist hier hinderlich – die Zuständigkeiten liegen ständig woanders. Das kostet wertvolle Zeit und gefährdet Existenzen."
Noch ist zum Beispiel die hochansteckende Maul- und Klauenseuche lokal begrenzt bei nur einer Büffelherde in Brandenburg aufgetreten. Aber sollte es mehr Fälle geben, könnte das viele Landwirte auf eine harte Probe stellen. Zudem grassiert in Deutschland auch die Blauzungenkrankheit.