Mit Hilfe von Social Media Wie eine Klinik trotz Fachkräftemangels Personal gewinnt
Pflegekräfte werden überall händeringend gesucht. Das Klinikum Bad Hersfeld hat in kurzer Zeit mehr gefunden, als es das Krankenhaus für möglich hielt - mit Wunsch-Dienstzeiten und einem flexiblen Arbeitszeitmodell. Zwei Mütter berichten, wieso es für sie passt.
"Arbeite, wann Du willst" - als Inka Poser diesen Satz auf einem Banner in ihrem Handy liest, ist ihre Neugierde geweckt und der erste Schritt zum neuen Job getan.
Die Kinderkrankenschwester aus Heringen (Hersfeld-Rotenburg) ist im vergangenen Winter auf der Suche nach einer neuen Stelle, vor allem mit familienfreundlicheren Arbeitszeiten. "Da melde ich mich doch mal", denkt sich die 30 Jahre alte Mutter und informiert sich, was hinter dem verlockenden Versprechen steckt.
80 neue Mitarbeitende gefunden
Die Online-Anzeige stammt vom Klinikum Bad Hersfeld, das mit einer Social-Media-Kampagne in relativ kurzer Zeit Dutzende neue Pflegekräfte gefunden hat. Mittlerweile ist auch Poser eine von 80 Mitarbeitenden, die das Klinikum für sich gewinnen konnte.
Während vielerorts Arbeitgeber, auch im Gesundheitswesen, über massiven Fachkräftemangel klagen, hat das kommunale Krankenhaus neue Pflegekräfte bekommen und einen Weg aus der Personalkrise gefunden.
Flexpool ein Erfolgsmodell
Ende November hat das Klinikum mit dem Konzept eines flexiblen Arbeitszeit-Modells begonnen - dem Flexpool. Nur wenige Monate später lautet die (Zwischen-)Bilanz: Experiment gelungen. Das Modell soll nun ausgeweitet werden.
"Wir bieten eine neue Denkweise in Sachen Arbeitszeit und Work-Life-Balance, die so in der Kliniklandschaft noch nicht so weit verbreitet ist", erklärt die Pflegedirektorin, Oberin Birgit Plaschke.
Im Flexpool befinden sich Mitarbeitende, die als flexible Arbeitskräfte auf Stationen eingesetzt werden. Immer da, wo gerade - zum Beispiel wegen krankheitsbedingter Ausfälle - Bedarf besteht. Sie unterstützen dann als Springer die bestehenden Teams. Etwa 800 Pflegekräfte arbeiten für das Klinikum.
Die Flexpool-Mitglieder sind aber keine Mitarbeiter zweiter Klasse. Sie bekommen das gleiche Geld wie die Belegschaft, die fest auf Stationen eingesetzt ist, betont Plaschke.
Der große Vorteil für Inka Poser und die anderen im Flexpool ist: Sie können sich ihre Arbeitszeiten tatsächlich individuell aussuchen. Sie melden der Personalplanung, wann und für wie viele Stunden sie wöchentlich verfügbar sind. Was sie sich aber nicht aussuchen können, ist die Station, auf der sie ihren Dienst verrichten.
Immer flexibel sein - ist das nicht anstrengend? "Nein", sagt Stefanie Gross, "ich mag die Abwechslung und kann überall reinschnuppern." Früher war sie Krankenschwester in einer Justizvollzugsanstalt. "Doch der Schichtdienst dort ab frühmorgens oder bis spät abends ist mit zwei Kindern nicht vereinbar", erklärt die zweifache Mutter.
Deswegen hat auch sie sich dem Flexpool angeschlossen. So kann sie sich ab mittags um die Familie kümmern. Und genügend Planungssicherheit bei den Diensten habe sie auch. "Da ruft auch keiner in der Freizeit an und fragt, ob man nicht doch aushelfen kann."
"Mehr Zeit für mich und mein Bike"
Mit der Social-Media-Aktion zum Flexpool scheint das Klinikum einen Nerv getroffen zu haben, wie Initiatorin Imke Albowitz sagt. Sie veröffentlicht auf Facebook und Instagram Beiträge, die offenbar viele Menschen angesprochen haben.
So kann sich der junge Mann mit dem Hobby Konsolenspielen möglicherweise mit dem Slogan "Zocken, Ausschlafen, Spätdienst" identifizieren. Auf einer anderen Anzeige, die einen Radsportler zeigt, heißt es: "Mehr Zeit für mich und mein Bike!"
Nach Angaben des Klinikums Hersfeld-Rotenburg ist das Krankenhaus das erste in Hessen, das konsequent mit dem flexiblen Arbeitszeitmodell arbeitet.
"Wir haben die Idee aus den Niederlanden. Mittlerweile haben etwa ein Dutzend Kliniken in Deutschland das Modell eingeführt", erklärt Oberin Plaschke. Das Konzept macht von sich reden. Andere Krankenhäuser in Hessen wollen das Erfolgsmodell auch einführen, wie sie sagt.
"Pflegekräfte wieder einfangen"
Nach Ansicht von Thomas Busse, Professor für Gesundheitsmanagement an der Frankfurt University of Applied Sciences, ist das Flexmodell eine gute Idee. Er beobachtet: "Da schwirren draußen auf dem Arbeitsmarkt viele Pflegekräfte herum, die man wieder einfangen könnte."
Sie kämen aber wegen der wenig attraktiven Arbeitszeiten oftmals nicht zurück. "Dafür sind solche Modelle gut." Viele Kliniken verfolgten neue Wege nicht konsequent genug.
Sendung: hr4, 04.07.2023, 15.30 Uhr
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