Verbände setzen auf schnelle Regierungsbildung Wirtschaft fordert Reformen: "Die Hütte brennt"

Nach den Bundestagswahlen sehen viele hessische Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften die Möglichkeit zu einem Neuanfang. Ihr Wunschzettel ist lang. Diskussionen gibt es allerdings darüber, wie Reformen finanziert werden sollen.

Ein weißes Hinweisschild mit der Aufschrift "Wirtschaftspolitik", befestigt mit Schrauben an einem Schilderpfahl, vor dem dem Berliner Reichstagsgebäude - es handelt sich u m eine Bildmontage
Forderungen an die Politik von der Wirtschaft aus Hessen in Richtung Berlin Bild © picture alliance / SULUPRESS.DE | Torsten Sukrow / SULUPRESS.DE

"Die hessische Wirtschaft gratuliert der Union zum Wahlsieg", sagte Wolf Matthias Mang, der Präsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) zum Ausgang der Bundestagswahl. Gleichzeitig bedauerte er das Ausscheiden der FDP, weil sie traditionell eine liberale und wirtschaftsnahe Partei sei.

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Mang forderte die demokratischen Parteien auf, zügig Koalitionsgespräche zu führen. "Wir brauchen schnell eine handlungsfähige Regierung", mahnte der VhU-Präsident, gerade angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage. In Hessen war die Wirtschaft zuletzt im ersten Halbjahr 2024 um 0,2 Prozent leicht gewachsen, während sie im selben Zeitraum bundesweit um 0,2 Prozent schrumpfte.

Chemieverband warnt: "Die Hütte brennt"

Noch drastischer formulierte es der Verband der chemischen Industrie mit Sitz in Frankfurt: "Die Hütte brennt", warnte der Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. "Deswegen wäre es wichtig, dass bis Ostern eine neue Regierung am Start ist." Die Union solle mit der SPD zügig über eine Koalition verhandeln.

Die neue Regierung solle einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs verfolgen, hieß es beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, der seinen Sitz ebenfalls in Frankfurt hat.

So wie dieser wünschen sich auch viele andere Wirtschaftsverbände weitreichende Reformen. Dabei äußerten sie ähnliche Vorstellungen: Die Politik müsse Bürokratie abbauen, die Steuern senken und Energie müsse billiger werden. Die Preise dafür waren vergangenen Jahr in Hessen um knapp sechs Prozent gesunken, nachdem sie sich zuvor deutlich verteuert hatten.

Gewerkschaft fordert mehr Geld für Jobs

Der Hessische Industrie- und Handelskammertag ergänzte, außerdem brauche es generell wieder mehr Verlässlichkeit. "Die Politik muss stabile Rahmenbedingungen schaffen", sagte HIHK-Präsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller. "Das gibt den Unternehmen die Sicherheit, die sie für Investitionen und Innovationen benötigen."

Die Gewerkschaft DGB Hessen-Thüringen forderte, der Staat müsse auch mehr investieren, etwa in die Infrastruktur. Es seien ebenfalls höhere Ausgaben nötig, um den hiesigen Wirtschaftsstandort und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu sichern. Zuletzt hatten Unternehmen wie etwa die Commerzbank oder Continental einen Stellenabbau in Hessen angekündigt.

Soll die Schuldenbremse weg oder nicht?

"Für solche Investitionen müssen finanzielle Spielräume geschaffen werden", sagte Renate Sternatz, die stellvertretende Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen. "Dafür muss die Schuldenbremse reformiert oder gar ganz abgeschafft werden."

Aus Sicht von Arbeitgebervertretern muss die Schuldenbremse dagegen bleiben. Vielmehr solle der Staat stärker sparen. Klar sei, dass etwa für immer höhere Sozialausgaben auf mittlere Sicht kein Geld vorhanden sei, heißt es beispielsweise in einer Broschüre der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände.

Ein klares Bekenntnis zum Wirtschaftswachstum

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, plädierte für einen Mittelweg. Er könnte sich vorstellen, die Schuldenbremse für bestimmte Zeiträume und genau definierte Ziele zu lockern und Ausnahmen zu erlauben. So könne eine neue Regierung ein ganzes Reformpaket finanzieren, sagte Kater.

"Die erste Maßnahme wäre sogar kostenlos", meinte der Chefvolkswirt: "Die Politik müsste sich einfach nur wieder klar zum Ziel des Wirtschaftswachstums bekennen." Ohne ein solches Wachstum seien auch andere Ziele wie etwa der Klimaschutz schwerer zu erreichen.

IG Metall: "Niemand soll ausgegrenzt werden"

Die Gewerkschaft IG Metall Mitte beobachtet dabei mit Sorge, dass rechtsextreme Parteien immer mehr Zulauf haben. Deshalb forderte Bezirksleiter Jörg Köhlinger: "Alle demokratischen Parteien müssen eine Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben, die eben nicht ausgrenzt."

In Krisenzeiten mit dem Finger etwa auf Geflüchtete oder Bürgergeldempfänger zu zeigen, löse kein einziges wirtschaftliches Problem.

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de